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Dunkel Hell

Zwei Nachwuchswissenschaftler*innen des Instituts für Humangenetik am UKB auf Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik ausgezeichnet

Jeshurun Chiaran Kalanithy und Hanna Zieger, beide Studierende der Medizin am UKB, sind am 31. August 2021 zum Abschluss der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik (European Society of Human Genetics, ESHG) mit Nachwuchspreisen ausgezeichnet worden. Die Early Career Awards werden an Wissenschaftler*innen bis maximal vier Jahre nach Promotion vergeben.

Jeshurun Chiaran Kalanithy, Medizinischer Doktorand am Institut für Humangenetik (AG Reutter) und am Institut für Anatomie (AG Odermatt/Zebrafisch Core-Facility), erhielt den Isabelle Oberlé Award für seine Präsentation mit dem Titel „Monoallelic variants in TFAP2E cause central nervous system and craniofacial anomalies“. Mit dem Isabelle Oberlé Award zeichnet die ESHG jährlich den besten Vortrag im Bereich der Forschung zur Genetik von Intellectual Disability aus. Der Preis ist mit 500 Euro sowie einer kostenlosen Teilnahme bei der Jahrestagung 2022 dotiert. Außerdem darf Jeshurun Chiaran Kalanithy bei der Tagung 2022 eine Vortragsreihe moderieren.

Hanna Zieger, Medizinische Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Dr. Kerstin Ludwig (Emmy-Noether-Gruppe, Institut für Humangenetik), erhielt einen von sieben Posterpreisen. Ihre Arbeit mit dem Titel „Systematic analysis of non-coding de novo mutations from whole genome sequence data of triads with non-syndromic cleft lip with/without cleft palate“ wurde mit einer Honorary Mention ausgezeichnet. Dieser Preis ist mit einer kostenlosen Teilnahme bei der Jahrestagung 2022 verbunden.

Die ESHG hält ihre jährliche Tagung in wechselnden europäischen Städten ab. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung online statt, an der vom 28. August bis 31. August ca. 4.000 Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt teilnahmen. Die Jahrestagung 2022 findet vom 11. bis 14. Juni 2022 in Wien statt.

Bild: (v.l.) Jeshurun Chiaran Kalanithy und Hanna Zieger


Interview: Patientennutzen im Vordergrund

Wie alt sind Sie und was machen Sie beruflich?

Hanna Katharina Zieger: Ich bin 25 Jahre alt und studiere Medizin im 6. klinischen Semester.

Jeshurun Chiaran Kalanithy: Ich bin 24 Jahre alt und studiere Humanmedizin im letzten Studienjahr.

Was begeistert Sie an Ihrem Spezialfach Humangenetik?

Hanna Katharina Zieger: Da die Humangenetik eine Grundlage für viele verschiedene Krankheitsbilder bildet, wird die humangenetische Forschung später für mich als Klinikerin in vielen Gebieten sehr gut anwendbar sein. Die Forschung auf dem Gebiet der Humangenetik bietet für mich die Möglichkeit, durch eine Vielzahl an experimentellen und statistischen Methoden diverse Krankheitsbilder und deren Entstehung zu untersuchen. Die Verarbeitung sehr großer Datenmengen stellt für mich ebenfalls einen sehr spannenden Aspekt der humangenetischen Forschung dar.

Jeshurun Chiaran Kalanithy: Unsere Forschungsgruppe untersucht entwicklungsbiologische Prozesse im Gehirn. Mich hat an unserer Grundlagenforschung der patientenorientierte Ansatz ganz besonders begeistert. Wir wenden genetische Variationen von betroffenen Feten als Grundlage zur Untersuchung der Formation des Zentralen Nervensystems (ZNS) direkt im Tiermodell an. Durch unsere Auswahl des Zebrafisches als Tiermodell gelingt uns das auf eine sehr anschauliche Art und Weise im lebenden Organismus.

Worum geht es in Ihrer Forschungsarbeit?

Hanna Katharina Zieger: Ich beschäftige mich in meiner Doktorarbeit mit den humangenetischen Hintergründen von nicht-syndromalen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (nsLKG), d.h. es kommt zu keinen weiteren, mit der Grunderkrankung in Zusammenhang stehenden Symptomen). Die Ätiologie von nsLKG ist multifaktoriell (von mehreren Faktoren abhängig.). Das bedeutet, dass sowohl genetische Einflüsse als auch Umwelteinflüsse zu der Entstehung dieses Krankheitsbildes beitragen. Der Anteil der genetischen Einflüsse wird dabei auf circa 90 Prozent geschätzt. Bisher wurden durch genomweite Assoziationsstudien viele häufige, meist nicht-kodierende genetische Varianten identifiziert, die zur Entstehung von nsLKG beitragen. Allerdings können diese häufigen Varianten nur einen Teil des genetischen Hintergrundes von nsLKG erklären. Ich beschäftige mich in meinem Projekt mit dem Einfluss von Neumutationen auf die Entstehung von nsLKG und dabei insbesondere mit Varianten, die im nicht-kodierenden Bereich des Genoms liegen. Dazu verwenden wir genomweite Sequenzierungsdaten von Patienten und deren Eltern, wodurch insbesondere seltene Varianten identifiziert werden können. Diese Neumutationen verbinden wir mit funktionellen Daten über genetische Regionen, um relevante Neumutationen zu identifizieren. Durch dieses Projekt werden Einblicke in den Beitrag der seltenen Varianten zur Ätiologie der nsLKG geliefert. Außerdem können relevante Regionen und Kandidatengene identifiziert werden, die einen Hinweis auf funktionelle Mechanismen bei der Entstehung von nsLKG geben. Dadurch kann die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen in betroffenen Familien ermöglicht werden.

Jeshurun Chiaran Kalanithy: Wir haben in drei Feten im Routine-Schwangerschaftsultraschall komplexe Fehlbildungen des Gehirns diagnostiziert und in der genetischen Diagnostik Spontanmutationen (de-novo-Mutationen) im Gen TFAP2E entdeckt. Dieses Gen wurde noch nicht als krankheitsverursachendes Gen für ZNS-Fehlbildungen beschrieben. Wir konnten durch gezielte Unterdrückung von TFAP2E auf Proteinebene den Phänotypen der Patient*innen im Zebrafisch-Modell replizieren. Neben den Hirnfehlbildungen konnten wir interessanterweise auch eine Kieferfehlbildung der Patient*innen replizieren. Daraus leiten wir ab, dass das Gen TFAP2E eine wichtige Rolle in der Regulation der frühen neuronalen Migration spielt.

Was bedeutet dieser Preis für Sie?

Hanna Katharina Zieger: Ich habe mich über die Auszeichnung für mein Poster wirklich sehr gefreut. Ich arbeite seit 2019 neben meinem Medizinstudium an meiner Doktorarbeit und habe durch dieses Projekt meine Freude an informatischen Analysen entdeckt und erste Erfahrungen im Labor sammeln können. Da mich meine Doktorarbeit aber auch vor viele neue Herausforderungen gestellt hat, ist es für mich eine Freude, dass diese Arbeit nun durch den Posterpreis honoriert wird.

Jeshurun Chiaran Kalanithy: Auch wenn mich der Preis sehr freut und in gewisser Weise eine Belohnung für lange Abende und Wochenenden im Labor ist, so steht schlussendlich immer der Nutzen der Forschung für Patient*innen im Vordergrund. Und darüber freue ich mich am meisten, durch meine Forschung einen großen Schritt näher an der Entschlüsselung der unklaren Diagnosen unserer Patient*innen zu sein.

Wie geht es nun für Sie weiter? Welche Projekte möchten Sie kurz- oder mittelfristig realisieren?

Hanna Katharina Zieger: Als nächsten Schritt möchte ich die Ergebnisse meines Projekts gerne in einem Journal veröffentlichen. Außerdem absolviere ich aktuell einen Onlinekurs für die Programmiersprache R. Ich möchte in Zukunft sehr gerne in der Forschung weiterarbeite, wo ich diese Kenntnisse nutzen kann. Im nächsten Frühjahr werde ich die Prüfungen des zweiten Staatsexamens schreiben und danach in das praktische Jahr meines Studiums starten.

Jeshurun Chiaran Kalanithy: In unserer Kohorte von Patient*innen mit ZNS-Fehlbildungen ist unser Ziel, weitere molekulargenetische Diagnosen zu stellen und auch neue Kandidatengene für ZNS-Fehlbildungen zu erforschen. Für mich persönlich steht auch das Sammeln klinischer Erfahrung im Praktischen Jahr meines Medizinstudiums im Vordergrund.

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