Philipp König (23), Student der Zahnmedizin am UKB, berichtet von seinem vierwöchigen Hilfseinsatz kürzlich in Ghana
Warum haben Sie Afrika und konkret Ghana für Ihren Hilfseinsatz ausgewählt?
Der Kontinent Afrika hat mich schon lange fasziniert, allem voran die spektakuläre Fauna und Flora und natürlich auch die kulturelle Schönheit. Die Idee zu einem Hilfseinsatz wurzelt aber vor allem in den Missständen vor Ort – Armut und Hunger bei gleichzeitig explosivem Bevölkerungswachstum. Etwa die Hälfte der Bevölkerung sind Kinder. Zudem ist die medizinische Versorgung in manchen Regionen katastrophal. Daher sind Mitglieder meiner Familie bereits mit Vereinen in der medizinischen Hilfe vor Ort in Afrika tätig und aktuell unterstützen wir dort auch drei Patenkinder. Das alles hat schon früh meinen Wunsch geweckt, einmal dort einen Hilfseinsatz mitzumachen.
Eigentlich hatte ich dies als Abschluss nach meinem Studium geplant, das ich in drei Semestern beenden werde. Dann bin ich aber auf den Verein „Dental Volunteers e.V.“ gestoßen und habe spontan Anschluss an eine Gruppe gefunden, die nach Ghana fliegen wollte. Wir waren dann zwei Studierende der Zahnmedizin sowie zwei Zahnärztinnen.
Wie sah die vorgefundene Lage bezüglich zahnmedizinischer Versorgung und Gesundheitszustand der Betroffenen aus?
In Ghana gibt es quasi ein Nord-Süd-Gefälle: Der Süden rund um die Hauptstadt Accra ist bezüglich Gesundheitsversorgung besser ausgestattet. Der deutlich ärmere Norden ist dagegen medizinisch sehr unterversorgt und nur in größeren Städten gibt es ärztliche Hilfe in Kliniken. Dementsprechend lag unser Fokus vor allem auf den ärmeren, ländlichen Regionen im Norden, die von einer adäquaten medizinischen Versorgung ausgenommen sind. So besuchten wir als Erstes das einzige SOS-Kinderdorf für Waisen im Norden und anschließend von der Diözese Yendi ausgehend vier Dörfer, die nicht an das Straßennetz angeschlossen sind.
Hier werden kranke Menschen mit dem Fahrrad gebracht oder sie laufen kilometerweit. Dank unseres Gastgebers Bischof Vincent, der uns ein Pick-up mit Fahrer zur Verfügung stellte, konnten wir die entlegenen Orte erreichen, darunter auch ein sogenanntes Hexenlager. Das ist eine Zufluchtsstätte für vor allem ältere Menschen, die der Hexerei bezichtigt werden und zusammen im Exil leben. Zum Schluss besuchten wir noch zwei der drei SOS-Kinderdörfer im Süden.
„Vieles für die Behandlungen musste extern gestellt werden“
Der Verein „Dental Volunteers e.V.“ hatte bereits viel zahnmedizinisches Equipment in Ghana gelagert, das wir durch zahlreiche Spenden, unter anderem von der Zahnklinik des UKB, und in Abstimmung mit den vorherigen Helfern vervollständigt haben. Das war auch nötig, so waren in den SOS-Kinderdörfern lediglich Tische und Stühle sowie Steckdosen und gereinigtes Wasser in Beuteln vorhanden. Für die Mundspülung haben wir das „Trinkwasser“ aus dem Beutel in Spritzen aufgezogen. Ein weiterer Vorteil in den SOS-Kinderdörfern war, dass wir uns mit dem dortigen Personal beispielsweise über die Krankengeschichte der Kinder austauschen konnten. Für die Kleinsten kam unsere Behandlung meist noch früh genug, um rein präventive Maßnahmen wie richtiges Zähneputzen zu erklären. Aber bei dem Großteil der Patienten einschließlich Personal waren Füllungstherapien notwendig – öfters auch an bleibenden Frontzähnen der Kinder aufgrund eines Traumas durch Fallen beim Laufen und Spielen.
Im Norden betreibt die Kirche einzelne Krankenstationen, die meist von Hebammen oder Krankenschwestern geleitet werden und nur ganz spärlich ausgestattet sind. Ganz prekär sah es in den logistisch schlecht angebunden Dörfern aus. Dort gab es, wenn überhaupt, eine Krankenliege, die als Behandlungsstuhl diente, und ein paar Tische. Die Hygienebedingungen waren katastrophal und unser Fahrer hat uns des Öfteren zu Apotheken gefahren, um neue Hygieneartikel besorgen zu können. So konnten wir unseren Patienten eben eine gewisse Sicherheit gewährleisten.
Wie sah es dort mit der Mundhygiene aus?
Im ärmeren Norden essen die Menschen vor allem Fleischgerichte und Reis. Zur Zahnreinigung werden aufgepinselte Miswak-Zweige verwendet. Kaut man lange genug auf Stöckchen vom sogenannten Zahnbürstenbaum, dann fransen diese am Ende aus. So lassen sich diese wie eine „Zahnbürste“ benutzen, um die Kauflächen und Außenflächen der Zähne sauber zu reiben, nicht jedoch die Innenflächen. Infolgedessen entsteht oftmals Parodontitis. Die Ernährungsweise verursacht eine starke Abnutzung der Kauflächen. Der Abrieb der Zähne war bei unseren Patienten teilweise schon ab 30 Jahren sehr ausgeprägt. Zahnbürsten und -pasta sind in Ghana viel zu teuer.
Daher besaßen unsere Patienten außerhalb der SOS-Kinderdörfer fast nie eine Zahnbürste. Aufgrund dieses Mangels hatten sie meist Paradontitis. Backwaren und zuckerhaltige Speisen, die durch ihren Kohlenhydratgehalt in Kombination mit mangelnder Mundhygiene Karieserkrankungen auslösen können, gelten in Ghana auch eher als Luxusgüter. Besaß ein Patient eine Zahnbürste, führte die falsche Putztechnik ebenfalls zu parodontalen Erkrankungen.
Welche Erkrankungen konnten Sie behandeln, welche nicht?
Anders als im Süden haben wir im Norden zwar weniger Karies vorgefunden, aber dafür vor allem parodontale Erkrankungen. Häufig mussten wir stark gelockerte Zähne ziehen. Zu unseren Behandlungsmöglichkeiten zählten zudem Zahnsteinentfernung und Füllungstherapien. Mit ausgehärtetem Kunststoff haben wir lockere Zähne geschient.
Sehr schade war, dass wir keine Röntgenausstattung hatten. Das hat beispielweise eine Wurzelkanalbehandlung erübrigt. Zudem hatten wir kein Labor, um prothetische Behandlungen durchführen zu können. So konnten wir zwar Extraktionen vornehmen, aber leider keine anschließende prothetische Versorgung durchführen.
Was war die größte Herausforderung für Sie?
Für mich persönlich die kalte Dusche am Morgen. Bezüglich der Behandlung waren Herausforderungen unser täglich Brot. Kaum einer unserer Patienten konnte zuvor überhaupt einen Zahnarzt besuchen und wir mussten priorisieren, was wir bei jedem Einzelnen behandeln und was nicht. Dann mussten wir unser Zahnarzt-Camp den sich ständig ändernden Begebenheiten anpassen. Es war immer ein enormer Aufwand, die Rahmenbedingungen zu prüfen. Haben wir langfristig Wasser und ist ausreichend Strom vorhanden?
Manchmal war es auch nicht so leicht, einen Zahn zu ziehen. Es ist typisch für Ghana, dass die Betroffenen sehr harte Knochen haben. Und da wir kein Röntgengerät hatten, mussten wir sehr aufpassen, beim Herausziehen keine Frakturen zu verursachen. Und natürlich war da auch die Sprachbarriere: Teilweise brauchten wir zwei Übersetzer, da es dort sehr unterschiedliche Stammessprachen gibt und wir uns nur mit der Amtssprache Englisch verständigen konnten. So war es hin und wieder auch schwierig zu klären, ob der Patient die Behandlung wirklich erwünscht. Die ein oder andere Person wollte die Zähne behalten, damit sie vernünftig kauen kann, denn man isst dort sehr viel Fleisch und andere harte Nahrungsmittel.
Was war das schönste Erlebnis oder Erlebnisse?
Für mich waren es die Gesten von Wertschätzung und die Offenheit der Ghanaer. Auf der Straße winken sie einem zu, egal ob sie einen kennen oder nicht. Sie hatten keine Vorurteile gegenüber uns. Diese Offenheit hat meistens schon den Tag gerettet, denn das gab mir ein gutes Gefühl. Und was mich richtig glücklich machte, waren die strahlenden Kinderaugen trotz all dem Leid. Manchmal, wenn wir abends draußen Musik gehört haben, kamen irgendwelche Kinder hinzu und haben schwungvoll getanzt. Das war irgendwie herzerwärmend. Toll war auch die Wertschätzung, die wir erfahren haben. So wurde uns einmal ein lebendiges Huhn geschenkt. Das ist in Ghana ein Zeichen von Ehre, denn ein Huhn hat dort einen riesengroßen Wert.
Wie geht es weiter? Haben Sie schon Pläne für weitere Einsätze vor Ort?
Wann und wo steht für mich noch nicht fest. Sollte es wieder nach Ghana gehen, würde ich mich gerne nach dem Studium mit Freunden zusammenschließen. Langfristig könnte ich mir vorstellen, zahnmedizinisches Personal vor Ort anzulernen und so eine Brücke zur unabhängigen Selbsthilfe zu schaffen. Die Nachfrage ist in Ghana sehr groß und unsere dortigen Kontakte schreiben uns täglich per Smartphone. Sie fragen nach wie vor, ob wir Material hinbringen können und wann wir wiederkommen. Es wäre schon sinnvoll, eine nachhaltige Lösung zu finden, mit der eine zahnmedizinische Versorgung in bestimmten Regionen etabliert wird. Für mich steht jetzt aber das Studium an erster Stelle.