Isabelle Winterhagen berichtet von ihrem zweiten Auslandseinsatz in Afrika
18 Tage in Ghana – ein intensiver Einsatz, der sowohl körperlich herausfordernd als auch emotional bereichernd war. Für Isabelle Winterhagen, Assistenzärztin in der Urologie und Kinderurologie des UKB, war es der zweite Einsatz mit dem Verein „Die Ärzte für Afrika e.V.“ in Akwatia. Schon während ihres Medizinstudiums hatte sie den Wunsch, ihr Wissen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt einzusetzen. In einem Gespräch mit der Redaktion von UKBmittendrin teilt sie ihre Eindrücke, die Herausforderungen und besondere Momente ihrer Reise.
Ein vertrautes Team, neue Perspektiven
„Beim ersten Mal war alles neu und aufregend – das Krankenhaus, das Team, die Abläufe. Dieses Jahr wussten wir, was uns erwartet, und konnten noch tiefer hinter die Kulissen blicken“, erzählt Winterhagen. Zusammen mit einer Oberärztin und einem OP-Pfleger reiste sie dieses Jahr zum zweiten Mal nach Ghana. Ein Chefarzt war ebenfalls vor Ort, musste jedoch aufgrund eines persönlichen Notfalls bereits nach zwei Tagen abreisen. Trotz der kleineren Mannschaft verlief der Einsatz erfolgreich.
Hilfe, die ankommt
Der Fokus des Einsatzes lag erneut auf urologischen Eingriffen – Operationen, die sich viele Patienten andernfalls nicht leisten könnten. „In Ghana sucht man einen Arzt nur auf, wenn es wirklich nicht mehr anders geht, denn jede Behandlung muss aus eigener Tasche bezahlt werden, häufig legt die ganze Familie zusammen“, erklärt Winterhagen. „Durch den Verein ‚Die Ärzte für Afrika e.V.‘ können die Patienten kostenlos behandelt werden.“ Dies wird durch Spenden ermöglicht, die der Verein generiert – eine immense Hilfe für die Einheimischen, da sich die meisten eine medizinische Behandlung sonst nicht leisten könnten.
Bildunterschrift: Isabelle Winterhagen während einer OP.
Besonders in Erinnerung bleibt der Ärztin ein Patient mit einer extrem vergrößerten Prostata, den sie bereits aus dem Vorjahr kannte. „Seine Prostata hatte ein Volumen von 500 ml – das ist enorm, und ich hatte so etwas vorher noch nie gesehen. Beim ersten Besuch war eine OP nicht nötig, dieses Mal schon, und wir konnten ihm helfen, sodass er wieder normal Wasser lassen kann.“
Zwischen Improvisation und Dankbarkeit
Ein großer Unterschied zu Deutschland: Die Arbeit mit minimalen Ressourcen. „Man lernt, dass vieles auch ohne High-End-Ausstattung funktioniert“, sagt Winterhagen. Die lokale Unterstützung ist unverzichtbar. „Die OP-Pflege hilft, es gibt jemanden, der in die Landessprache Twi übersetzt, und die Patienten werden vorab für die OP gesichtet und vorbereitet – wir hatten 200 Patienten in der ersten Woche in unserer Sprechstunde.“
Bildunterschrift: Die einheimischen OP-Pflegerinnen haben den Einsatz vor Ort unterstützt.
Doch nicht nur die Hilfsbereitschaft vor Ort beeindruckt sie, sondern auch die tiefe Dankbarkeit der Patienten. „Ein Mann sagte nach der Visite zu uns: ‚Ohne euch hätte ich mir die OP niemals leisten können.‘ Solche Momente machen mich unglaublich glücklich.“
Frauen in der Urologie
Als Urologin arbeitet Isabelle Winterhagen in einem sehr sensiblen Bereich, und sie war besonders überrascht von der Offenheit der Ghanaer. „Ich hatte am Anfang Sorge, ob es ein Problem ist, dass ich eine Frau bin. Aber vor Ort merkt man keinen Unterschied, ob ich eine Frau oder ein Mann bin“, berichtet sie. In Ghana spielt vielmehr die Hautfarbe eine Rolle. „Wir werden ‚Obronis‘ genannt, das bedeutet „der vom Horizont kommt“. In Afrika ist der Glaube weit verbreitet, dass es Glück bringt, Weiße zu berühren. Außerdem bringen wir Hoffnung und Hilfe mit, deshalb werden wir mit offenen Armen empfangen, egal ob Mann oder Frau.“
In Deutschland hingegen wird sie als Frau in der Urologie schon häufiger angesprochen. „Mir wird oft die Frage gestellt, warum ich Urologin geworden bin. Früher habe ich immer gesagt, weil die Niere mein Lieblingsorgan ist – was auch stimmt. Eine Kollegin antwortet darauf jedoch immer: ‚Na vermutlich aus denselben Gründen, aus denen ein Mann Urologe wird.‘ Diese Antwort fand ich so gut, dass ich sie mittlerweile auch übernommen habe.“
Was bleibt – und was kommt?
Trotz der Herausforderungen steht für Isabelle Winterhagen fest: Es war nicht ihr letzter Einsatz in Ghana. „Es ist anstrengend und nervenaufreibend, aber am Ende überwiegt das Gefühl, wirklich geholfen zu haben.“ Ihr Fazit? „Manchmal braucht es nicht viel, um einen großen Unterschied zu machen – und vielleicht kann sich auch unser Gesundheitssystem ein wenig von der Geduld und Genügsamkeit der Menschen in Ghana abschauen.“
Weitere Informationen zum Verein „Die Ärzte für Afrika e.V.“ und die Möglichkeit zum Spenden gibt es hier: https://www.die-aerzte-fuer-afrika.de/