Die Urologen sind da!
Isabelle Winterhagen ist Ärztin in Weiterbildung der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKB. Für sie stand schon während des Medizinstudiums fest, dass Sie Ihr Können und Wissen auch ehrenamtlich nutzen möchte. Im Januar war es dann, bisher zum ersten Mal, soweit, die Ärztin ist mit einem Team für „Die Ärzte für Afrika e.V.“ für knapp 3 Wochen nach Akwatia in Ghana geflogen, um ehrenamtlich die medizinische Versorgung zu unterstützen. Der Schwerpunkt des Vereins „Die Ärzte für Afrika e.V.“ liegt vor allem in der Verbesserung der dringend notwendigen urologischen Versorgung. Im Interview beschreibt Isabelle Winterhagen Ihre persönlichen Eindrücke und Erfahrungen.
Frau Winterhagen, was war Ihr erster Eindruck vor Ort?
Mein erster Eindruck war sehr positiv. Die Leute vor Ort haben uns sehr herzlich Empfangen und die Mitarbeitenden im Krankenhaus haben uns direkt als Teil des Teams aufgenommen. Ich war auch überrascht, dass das Krankenhaus für afrikanische Verhältnisse sehr fortschrittlich aussah. Natürlich war alles, wie beispielsweise der OP-Saal, deutlich einfacher ausgestattet als bei uns, aber es gab sterile Bereiche, einen Aufwachraum und letztlich alles, was man für die medizinische Grundversorgung braucht.
Wie lief ein Tag vor Ort in Akwatia ab?
Die Tage waren schon sehr voll. Es gab um 7 Uhr Frühstück, um halb 8 starteten wir mit der Visite und ab 8 Uhr standen dann Operationen an. Je nachdem wie viel OPs pro Tag angesetzt waren, haben wir bis 12 oder 14 Uhr operiert. Danach gab es Mittagessen, ab 15 Uhr dann die Mittagssprechstunde, bis 18 oder 19 Uhr, anschließend noch Stationsvisite und danach Abendessen mit den deutschen Kollegen – wir waren zu viert vor Ort, mit drei Ärzten und einem OP-Pfleger. Es war wirklich eine tolle aber auch anstrengende Zeit. Am Ende der knapp drei Wochen habe ich mich schon auch auf Zuhause und ein bisschen mehr Privatsphäre gefreut.
Was würden Sie sagen ist der größte Unterschied zu Deutschland?
Sehr auffällig ist, dass die Patientinnen und Patienten in Ghana auf dem Papier erst einmal gesund sind. Das liegt daran, dass die wenigsten regelmäßig zum Arzt gehen, auch nicht bei Beschwerden, weil alles selbst bezahlt werden muss. Dafür fehlt vielen einfach das Geld. In der Regel gehen die Patientinnen und Patienten daher erst dann zum Arzt, wenn etwas Größeres ansteht. Wer arm und krank ist, stirbt früher.
Etwas anders sieht es aus, wenn die Organisation vor Ort ist, dann können die Operationen und/oder Voruntersuchungen durch Spendengelder finanziert werden. Da der Verein schon mehrere Jahre nach Akwatia fliegt, ist das Prozedere vor Ort schon bekannt und es wird vorab kommuniziert, dass „die Urologen wieder da sind“.
Ist Ihnen ein Patient oder eine Patientin besonders im Gedächtnis geblieben?
Ja, mehrere. Wir hatten beispielsweise einen Patienten mit Verdacht auf einen Bauchtumor in Behandlung. Zur weiteren Beurteilung brauchten wir dringend eine CT, die dafür umgerechnet 50 Euro hatte der Patient nicht. Zum Glück konnten wir dieses Geld über den Verein zur Verfügung stellen. Wären wir nicht mit „Die Ärzte für Afrika e.V.“ vor Ort gewesen, wäre der Mann sicher ohne CT und weitere Behandlung wieder nach Hause gegangen. Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dieser Fall ist mir schon sehr im Gedächtnis geblieben, genauso wie einige Patientinnen und Patienten, die über mehrere Jahre einen Blasenkatheter getragen haben. Das strahlen, wenn sie nach der Operation und der Katheter-Entfernung endlich wieder Wasser lassen konnten, hat mich jedes Mal sehr gefreut.
Gibt es trotz der Probleme vielleicht auch Dinge, die wir in Deutschland uns abgucken können?
Ja, definitiv. Mehr Gelassenheit und weniger Ansprüche, sowohl auf Seiten der Ärzte als auch auf Seiten der Patienten. In Ghana sind wir nur mit dem nötigsten ausgestattet, das bezieht sich vor allem auf das intraoperativ zu verwendende Material und Besteck – Sonderbesteck gibt es eben nicht, aber es muss mit dem gearbeitet werden, was da ist. Und es funktioniert.
Die Patienten waren insgesamt sehr geduldig, keiner hat sich über Wartezeiten oder 10-Bett-Zimmer beschwert. Sie zeigen mehr Dankbarkeit und hinterfragen auch weniger. Dazu muss ich sagen, dass die Ghanaer mir insgesamt viel entspannter und gelassener begegnet sind.
Würden Sie sagen, dass so eine Erfahrung jeder Arzt/jede Ärztin einmal machen sollte?
Lustigerweise sagen die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen, wenn sie von meinem Auslandseinsatz hören: „Ach das wollte ich auch schon immer einmal machen“. Die wenigsten haben es aber bisher gemacht. Oft scheitert es glaube ich an der Organisation, denn man muss sich schon selbst um einen Verein kümmern und alles mit seinen Kollegen absprechen, zudem kostet es den einen oder anderen Urlaubstag. Aber es ist definitiv eine Erfahrung, die ich nie mehr vergessen werde und die meiner Meinung nach jeder, der im Gesundheitswesen arbeitet, einmal machen kann. In unserem Beruf ist es so einfach, Menschen nachhaltig zu helfen. Vielleicht ist das hier ja noch mal ein kleiner Anstoß für den Einen oder die Andere.
Planen Sie denn einen weiteren Auslandseinsatz?
Auf jeden Fall. Da wir als Team so gut funktioniert und uns prima verstanden haben, überlegen wir, ob wir nächstes Jahr mit der gleichen Besetzung und zur gleichen Zeit noch einmal mit „Die Ärzte für Afrika e.V.“ nach Akwatia in Ghana fliegen. Das steht aber noch nicht final fest. Ich bin mir aber sicher, dass es für mich nicht der letzte ehrenamtliche Auslandseinsatz war.