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Dunkel Hell

Interview mit Prof. Nadine Scholten zum Weltgesundheitstag

Rund ums Stillen kursieren viele Mythen: Muss ich jetzt für zwei essen? Darf ich noch Kaffee trinken? Und schmeckt mein Baby wirklich, was ich esse? Zum diesjährigen Weltgesundheitstag rückt die WHO die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen in den Mittelpunkt – unter dem Motto „Gesunde Anfänge, hoffnungsvolle Zukunft“. Ein Bestandteil dieser gesunden Anfänge ist für viele Familien die Stillzeit: Sie stärkt nicht nur die Bindung, sondern auch das Immunsystem und die Geschmacksentwicklung des Babys. Prof. Nadine Scholten, Leiterin des Neo-MILK-Projekts am UKB, erklärt im Gespräch mit UKB mittendrin, worauf es beim Stillen wirklich ankommt, wie Mütter sich ausgewogen ernähren können – und welche weitverbreiteten Irrtümer man getrost vergessen darf.

UKB mittendrin: Viele denken beim Thema Stillen sofort: „Da muss man doch für zwei essen“ – wie viel Wahrheit steckt dahinter?

Prof. Nadine Scholten: Gar nicht so viel, wie man denkt. Der Energiebedarf steigt zwar, aber nur moderat – etwa um 400 Kalorien pro Tag. Das sind vier Äpfel, nicht vier Mahlzeiten! Viel wichtiger ist, dass die Ernährung ausgewogen ist: mit ausreichend Eiweiß, gesunden Fetten und Vitaminen. Stillende benötigen außerdem 25 Gramm mehr Protein am Tag, das lässt sich allerdings ganz leicht decken – etwa mit 150 Gramm Magerquark und einer Handvoll Nüsse, was auch schon ungefähr 300 Kalorien entspricht.

UKB mittendrin: Welche Nährstoffe sind in dieser Zeit besonders wichtig?

Prof. Nadine Scholten: Vor allem Omega-3-Fettsäuren, insbesondere DHA, sind wichtig für die kindliche Gehirnentwicklung. Diese findet man in fettreichem Fisch – oder in Algenöl, das eine pflanzliche und umweltfreundliche Alternative darstellt. Außerdem produzieren Stillende etwa 800ml Milch pro Tag, dementsprechend steigt auch der Flüssigkeitsbedarf um eben diese 800ml, aber keine Sorge – Der Körper zeigt durch ein erhöhtes Durstgefühl sehr genau an, was er an extra Flüssigkeit braucht.

UKB mittendrin: Beeinflusst die Ernährung der Mutter tatsächlich den Geschmack der Muttermilch?

Prof. Nadine Scholten: Absolut! Aromen wie Vanille, Knoblauch oder Karotten landen tatsächlich in der Muttermilch. Babys machen so ihre ersten Geschmackserfahrungen – das ist faszinierend. Studien zeigen: Kinder, die schon früh mit bestimmten Geschmäckern vertraut sind, akzeptieren diese später eher. Muttermilch ist also nicht nur Nährstofflieferant, sondern auch ein kleines Geschmackslabor.

UKB mittendrin: Ein anderer Punkt, der viele beschäftigt: Wie viel Kaffee ist erlaubt – und was ist mit Kräutertees?

Prof. Nadine Scholten: Bis zu drei Tassen Kaffee täglich sind meist unproblematisch. Stillende Mütter müssen nicht komplett auf Koffein verzichten, wobei Babys ganz unterschiedlich auf Koffein reagieren können, so dass es sich empfiehlt sein Kind aufmerksam zu beobachten. Besonders Neugeborene brauchen länger um Koffein zu verarbeiten und können mit Unruhe reagieren. Von Fencheltee hingegen wird abgeraten – manche Inhaltsstoffe stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Hier lohnt es sich, genau hinzuschauen.

UKB mittendrin: Viele frischgebackene Mütter wollen alles richtig machen – wie wirkt sich dieser Druck auf das Stillen aus?


Prof. Nadine Scholten: Der Wunsch, alles perfekt zu machen, kann schnell zur Belastung werden – und genau das kann sich auf die Milchbildung auswirken. Stress hemmt die Ausschüttung von Oxytocin, das für den Milchfluss entscheidend ist. Deshalb ist es so wichtig, dass Mütter sich nicht allein gelassen fühlen. Kleine Auszeiten, praktische Unterstützung im Alltag und einfach mal durchatmen können schon viel bewirken. Stillen gelingt besser, wenn auch die Seele mitversorgt wird

UKB mittendrin: Und wenn Stillen einfach nicht der richtige Weg für eine Familie ist?


Prof. Nadine Scholten: Dann ist das eine ganz individuelle Entscheidung, die respektiert werden muss. Stillen hat viele Vorteile – aber es ist kein Maßstab für gute Elternschaft. Manche Mütter haben körperliche Gründe, manche fühlen sich mit dem Stillen unwohl oder es passt einfach nicht in ihr Familienleben. Wichtig ist vor allem die liebevolle Nähe – und die lässt sich auch beim Fläschchenfüttern aufbauen. Ob Brust oder Flasche: Entscheidend ist, dass Mutter und Kind ihren eigenen Weg finden und sich dabei unterstützt- und wohlfühlen.

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