Im Interview mit Tim Watzlawik über seinen Ausbildungsberuf am UKB
Wird einem beim Hinlegen ständig schwindelig, hört oder riecht man nicht mehr richtig – hilft Tim Watzlawik, die Diagnose für diese Symptome zu finden. Er ist nämlich HNO-Audiologieassistent und Schwindeltherapeut am audiologischen Zentrum des UKB und dort auch Teamleiter der Schwindeldiagnostik und -therapie. Wie genau der 31-Jährige Ärzt*innen bei ihrer Diagnose unterstützt und warum seine Arbeit manchmal „wie ein Puzzle“ ist, hat er im Gespräch mit Anna Bolten für UKBmittendrin verraten.
UKBmittendrin: Seit wann sind Sie HNO-Audiologieassistent und Schwindeltherapeut?
Tim Watzlawik: Ich wurde hier am UKB von 2013 bis 2016 zum Audiologie-Assistenten ausgebildet. Danach war ich in einer HNO/Pädaudiologie-Praxis in Kaiserslautern und an der Universitätsmedizin Mainz beschäftigt und habe mich später auch noch zum Schwindeltherapeuten weitergebildet. Seit April 2024 bin ich wieder am UKB und freue mich sehr hier in der HNO-Funktionsdiagnostik als Audiologie-Assistent mit besonderem Fokus auf die Schwindeldiagnostik und -therapie tätig zu sein.
UKBmittendrin: Was sind die Aufgaben eines HNO-Audiologieassistenten?
Tim Watzlawik: Die tägliche Aufgabe eines HNO-Audiologieassistenten ist es, bei der Diagnosestellung in der Funktionsdiagnostik zu helfen. Wir benutzen dazu altbekannte Geräte wie eine Stimmgabel oder eine Frenzelbrille. Die Frenzelbrille hat eine hohe Dioptrienzahl, also starke Vergrößerungslinsen, sodass die Patient*innen dadurch nicht mehr scharf sehen und keine Gegenstände fixieren können. Zeigen sie mit der Brille spontane Augenbewegungen, ist das ein Hinweis für Gleichgewichtsstörungen.
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Darüber hinaus benutzen wir natürlich auch ganz viel modernere Technologien. Ein Audiometer zum Beispiel: Die Patient*innen bekommen Töne in verschiedenen Frequenzen und Lautstärken vorgespielt, die wir technisch sehr genau über Regler und Schieber erzeugen können. Damit muss man nicht mehr wie mit einer Stimmgabel abschätzen, wie laut es wirklich ist, sondern kann das mit dem Audiometer sehr spezifisch auswählen. Und die Patient*innen melden uns dann zurück, wenn sie etwas hören. Außerdem gibt es den Video-Kopf-Impuls-Test. Normalerweise können wir unseren Blick auf etwas fixieren und dabei trotzdem den Kopf nach links und rechts drehen. Wenn das bei Patient*innen nicht funktioniert, dann weicht ihr Blick ab und das wird bei diesem Test mit einer Videobrille aufgenommen. Das sind aber nur zwei Beispiele unserer Untersuchungstechniken.
UKBmittendrin: Als HNO-Audiologie-Assistenz helfen Sie demärztlichen Personal Diagnosen zu stellen: Welche Diagnosen kommen häufig vor?
Tim Watzlawik: Häufig entdecken wir Hörstörungen, die angeboren oder durch Entzündungen, Unfälle oder Tumore erworben sind, sowie Geleichgewichtsstörungen, die Schwindel auslösen. Und auch Patient*innen mit Nasenatmungs- oder Geruchsstörungen kommen zu uns. Speziell in unser Funktionsdiagnostik sehen wir jedes Alter – vom Neugeborenen bis zum 100-Jährigen. Neugeborene werden zum Beispiel nach einem auffälligen Hörscreening im Krankenhaus zu uns geschickt: Wir hatten schon Kinder mit Hörstörungen, jeglichen Fehlbildungen im Ohr und am Gesicht oder falsch entwickelten Gleichgewichtsorganen. Im Alter hören dann fast alle Menschen schlechter und viele haben auch einen schlechteren Gleichgewichtssinn. Gerade im höheren Alter ist das Krankheitsbild eher multifaktoriell, also es treten zusätzlich zum Beispiel neurologische Schwierigkeiten auf, aber eben auch Probleme mit dem Herzen und schlechte Augen. Da kommt häufig einiges zusammen. Hörstörungen können dann häufig mit Operationen, Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten verbessert werden, bei Schwindel helfen oft aktive Bewegung oder Manöver, also Lagerungsübungen mit bestimmten Kopfbewegungen.
UKBmittendrin: Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal vorstellen?
Tim Watzlawik: Die Hörtests, die wir machen, werden in einem Diagramm festgelegt und diese lesen dann die Ärzt*innen. Wenn uns etwas Bestimmtes auffällt oder wir einen Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung haben, teilen wir das noch einmal schriftlich oder telefonisch mit. Bei Schwindelerkrankungen ist es oft eine sehr ausführliche Diagnostik, die wir in persönlicher Absprache mit den Ärzt*innen machen: Dabei gibt es mehr zu besprechen, weil es sich manchmal um einen gutartigen Lagerungsschwindel handelt, aber manchmal auch um einen Schlaganfall.
UKBmittendrin: Warum sind Sie HNO-Audiologie-Assistent geworden?
Tim Watzlawik: Das war eher ein Zufall. Früher war ich viel auf Konzerten und immer ein “auditiver” Mensch. Und ich habe meine Praktika in der Schulzeit bei einer Apotheke und bei einem Physiotherapeuten gemacht – mich also immer schon so ein bisschen in der medizinischen Richtung gesehen. Dann ist mir die Anzeige der Ausbildung zum HNO-Audiologie-Assistenten am UKB in der Zeitung aufgefallen. Davon hatte ich vorher noch nie gehört, aber es klang spannend und die Konditionen waren gut – und da habe ich die Bewerbung abgeschickt. Vor meiner Ausbildung musste ich mich dann über das Ohr und das Gleichgewichtsorgan informieren und habe gemerkt, dass einem vieles darüber gar nicht so bewusst ist. Das fand ich interessant und bin in der Ausbildung aufgegangen.
UKBmittendrin: Was muss man für den Beruf mitbringen?
Tim Watzlawik: Man arbeitet mit Menschen jeden Alters und in jeder Lebenssituation sowie mit den Angehörigen, deshalb ist sicherlich wichtig, dass man gern mit Menschen arbeitet und mit Schicksalen umgehen kann. Gleichzeitig muss man das beste Ergebnis für die Patient*innen rausholen, eine gründliche Diagnostik durchführen und die passende Therapie begleiten – das erfordert Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit. Und zuletzt sollte man ein wenig technisches Verständnis haben, da man mit vielen medizintechnischen Geräten umgehen muss.
UKBmittendrin: Was reizt Sie an Ihrer Arbeit am meisten?
Tim Watzlawik: Die Diagnostik von Hör- und auch vor allem Gleichgewichtsstörungen ist wie ein Puzzle. Wenn alle Teile zusammenpassen, ist es schön. Wenn jedoch etwas nicht ins Bild passt, wird es spannend. Als HNO-Audiologie-Assistenz ist man sehr nah an der Diagnosestellung beteiligt und durch meine zusätzliche Tätigkeit als Schwindeltherapeut kann ich vielen Patient*innen auch nach der Diagnose aktiv helfen. Früher habe ich Menschen erlebt, die mit Schwindel alle paar Wochen oder nach zwei Jahren wiedergekommen sind und keine richtige Diagnose oder Therapie bekommen haben, weil es zu wenige spezialisierte Zentren oder zu wenig Therapieplätze gibt. Das hat mich frustriert und ich wollte etwas dagegen tun. Jetzt helfe ich dabei, den oft langen Leidensweg von Betroffenen zu verkürzen. Man sieht, dass es den Patient*innen besser geht – und das macht Spaß.
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UKBmittendrin: Apropos, Schwindeltherapie – wie sind Sie darauf gekommen, die Weiterbildung zum Schwindeltherapeuten zu machen?
Tim Watzlawik: Nach der Ausbildung zum HNO-Audiologie-Assistenten, die ja hauptsächlich auf Hörstörungen konzentriert war, habe ich eben diesen unbefriedigenden Leidensweg von vielen Patient*innen mit Schwindel und Gleichgewichtsstörungen begleitet. Um in dem Bereich direkt zum Beispiel mit Gleichgewichtstraining helfen zu können, habe ich mich für die Weiterbildung entschieden. Als Schwindeltherapeut erlebe ich zum Beispiel häufig Patient*innen mit dem sogenannten Lagerungsschwindel, unter dem viele im höheren Alter irgendwann einmal leiden. Wenn sie sich hinlegen, wird ihnen sehr schwindelig, weil sich die kleinen, eigentlich am sogenannten Utriculus fixierten Steinchen im Gleichgewichtsorgan lösen und die Bogengänge herunterrutschen. Warum sie sich lösen, ist noch nicht vollständig erklärt, aber es kann mit dem Alter, Abnutzung, Gehirnerschütterungen oder Schädeltraumata zusammenhängen. Betroffenen empfehle ich dann bestimmte Lagerungsübungen, mit denen der Schwindel aufhört. Das sind beispielsweise Kopfbewegungen, die dafür sorgen, dass die Steinchen wieder aus den Bogengängen herausfallen – und dass die Patient*innen keine Beschwerden mehr haben. Der Lagerungsschwindel kann nach wenigen Tagen sogar wieder ganz verschwinden.
UKBmittendrin: Wie sieht ihre berufliche Zukunft aus?
Tim Watzlawik: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit hier am UKB. Auf Kongressen oder in Praktika in anderen Kliniken bilde ich mich weiter fort. Eine Möglichkeit wäre zukünftig auch die Weiterbildung zum Audiotherapeuten zu machen. Damit könnte ich zum Beispiel Patient*innen, die ein Cochlea-Implantat bekommen haben und das Hören neu lernen müssen, therapeutisch begleiten. Diese Weiterbildung haben auch schon ein paar Kolleg*innen am UKB gemacht.
UKBmittendrin: Dann wünschen wir Ihnen für die Zukunft alles Gute. Vielen Dank für das Gespräch!