Ein Gespräch mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden und Ärztlichen Vorstand Prof. Uwe Reuter
Mit Prof. Dr. med. Uwe Reuter hat das Universitätsklinikum Bonn einen neuen Vorstandsvorsitzenden und Ärztlichen Vorstand gewinnen können, der internationale Erfahrung, wissenschaftliche Exzellenz und umfassende Führungskompetenz vereint. Im Interview mit UKBmittendrin spricht er über prägende Stationen seiner Karriere, seine ersten Eindrücke vom UKB und die Themen, die er in den kommenden Monaten besonders in den Blick nehmen möchte.

UKBmittendrin: Herr Professor Reuter, Sie haben an renommierten Einrichtungen gearbeitet – von der Charité – Universitätsmedizin Berlin über Boston bis Greifswald. Welche Station hat Sie am meisten geprägt?
Prof. Reuter: Jede Station hat mich auf ihre Weise sehr geprägt. In Boston habe ich gelernt, dass nahezu alles möglich ist – dieser Blick auf die Welt hat mich kulturell und wissenschaftlich enorm weitergebracht. Die Zeit dort war persönlich besonders intensiv: zum ersten Mal allein in einer völlig neuen Umgebung, Stipendiat der DFG und der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft, mit dem Anspruch, in zwei Jahren maximale wissenschaftliche Erfolge zu erzielen und gleichzeitig sein Leben neu zu organisieren. An der Charité, meiner Heimatuniversität, habe ich meine akademische Laufbahn absolviert, mich habilitiert und erste Managementerfahrung gesammelt. Und in Greifswald war ich zum ersten Mal Vorstandsvorsitzender und habe gelernt, wie wichtig und anspruchsvoll die Zusammenarbeit mit der Politik ist.
UKBmittendrin: Sie sind nun in Bonn angekommen. Wie haben Sie die Stadt und das UKB in den ersten Tagen erlebt?
Prof. Reuter: Die Stadt ist sehr freundlich, offen und rheinländisch. Am UKB fühlte ich mich sofort willkommen – der Empfang war außergewöhnlich warmherzig. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit der Mitarbeitenden, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und das spürbare Engagement auf allen Ebenen. Mein erstes großes Meeting – die Fakultätsklausur – hat mir gezeigt, wie stark das UKB akademisch verankert ist und mit welcher Energie hier an Zukunftsthemen gearbeitet wird. Ein besonderes Erlebnis war für mich auch das Weihnachtskonzert des UKB Musik e. V. in der Kreuzkirche in Bonn gemeinsam mit den Bläck Fööss – ein wunderbarer Ausdruck der Verbundenheit und Gemeinschaft im Klinikum. Ich wurde mit offenen Armen aufgenommen und habe sofort gemerkt, dass das UKB ein Haus ist, in dem Identifikation und Teamgeist eine große Rolle spielen.
UKBmittendrin: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben – und wie kann er aus Ihrer Sicht das UKB bereichern?
Prof. Reuter: Ich bin jemand, der Entscheidungen treffen kann, dabei aber großen Wert auf partizipative Führung legt. Entscheidungen treffe ich nicht einsam, sondern bespreche sie, hole Meinungen ein und lasse mich beraten. Und ich finde es wichtig, Fehlentscheidungen revidieren zu können – das gehört zu professioneller Führung. Ich bevorzuge flache Hierarchien und habe eine Open-Door-Policy: Jeder Mitarbeitende sollte das Vorstandsbüro betreten können, wenn er ein Anliegen hat. Das lässt sich nicht immer sofort lösen, aber die Tür muss offen sein – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Diese Kultur der Ansprechbarkeit wurde mir auch in Greifswald als sehr positiv bestätigt. Dort sagte mir einmal eine Mitarbeiterin bei einem Mitarbeiterfest: „Wissen Sie, Herr Reuter, man kann Sie ansprechen wie jeden anderen Kollegen.“ Ich hoffe, dieses Gefühl kann ich hier auch vermitteln.
UKBmittendrin: Welche strategischen Ziele haben Sie sich für Ihr erstes Jahr am UKB gesetzt?
Prof. Reuter: Ich glaube, es wäre vermessen, wenn ich nach so kurzer Zeit große strategische Ziele für das UKB entwerfen würde. Aber natürlich habe ich schon ein paar Ideen und Themen, die ich in den Mittelpunkt stellen möchte:
- Digitalisierung:
Wir müssen Strukturen schaffen, die Digitalisierung systematisch vorantreiben. Das wird ein Prozess der nächsten fünf Jahre – aber die Weichen müssen jetzt gestellt werden. - Aufbau des neuen Geschäftsbereichs „Strategisch-Operative Unternehmensentwicklung“:
Dieser Bereich soll innerhalb der nächsten neun Monate voll funktionsfähig sein und die Umsetzung zentraler Unternehmensziele unterstützen. - Weiterentwicklung von Omics-Technologien:
Ich bin überzeugt, dass Omics-Verfahren – ähnlich wie Genomics (Modellvorhaben Genomsequenzierung) – ein Modellprojekt der Zukunft sein könnten.
UKBmittendrin: Sie haben betont, dass Ihnen die interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders wichtig ist. Wie möchten Sie diese am UKB stärken?
Prof. Reuter: Zunächst müssen wir uns als ein gemeinsames Universitätsklinikum verstehen und nicht als viele Einheiten, die nebeneinander arbeiten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ohnehin ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit in Medizin und Wissenschaft. Darüber hinaus müssen wir unsere Arbeitsumgebungen modernisieren. Vieles funktioniert noch wie 1960 – starre Strukturen, Arztzimmer, begrenzte digitale Ausstattung. Unsere jungen Kolleginnen und Kollegen sind Digital Natives, aber ihre Arbeitsumgebung spiegelt das nicht wider. Wir sollten daher prüfen, wie digitale Arbeitsmittel bereitgestellt werden können und ob in zukünftigen Neubauten moderne, flexible Arbeitswelten sinnvoll sind.
UKBmittendrin: Das Gesundheitswesen steht derzeit vor vielen Herausforderungen – von Fachkräftemangel bis Kostendruck. Welche bereiten Ihnen aktuell am meisten Sorge?
Prof. Reuter: Die größte Herausforderung ist die wirtschaftliche Lage. Fehlende Landesmittel für Infrastrukturmaßnahmen führen zu erheblichen Belastungen, da wir unsere Unterhaltungskosten aus laufenden Einnahmen bestreiten müssen. Dadurch entsteht ein strukturelles Defizit. Unser Ziel muss aber sein, dass die Krankenversorgung wirtschaftlich ausgeglichen ist, sozusagen eine schwarze Null erzielt. Hohe Gewinne sind nicht notwendig, aber eine solide wirtschaftliche Stabilität. Die zweite große Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Die Bevölkerung wird älter, der Behandlungsbedarf und unsere Patientenzahlen steigen, und gleichzeitig kommen immer weniger Spezialisten nach. Wir müssen ein attraktiver Arbeitgeber sein, mit guten Arbeitsbedingungen und einer modernen Kultur.
UKBmittendrin: Sie möchten das UKB „zukunftsfest“ machen. Was bedeutet das für Sie konkret?
Prof. Reuter: Zukunftssicherheit heißt für mich:
• Maximalversorgung mit einem starken Netzwerk in der Region und bei Bedarf auch überregional
• eine klinisch und wissenschaftlich exzellente, moderne Einrichtung
• führend in Robotik, Digitalisierung und KI-gestützten Verfahren
• wirtschaftliche Stabilität
• die besten Expertinnen und Experten in allen Bereichen
Bonn bietet für diese Ziele sehr gute Voraussetzungen: eine starke Universität, engagierte Teams und hohe medizinische Expertise.
UKBmittendrin: Was motiviert Sie persönlich in Ihrer neuen Rolle?
Prof. Reuter: Mich motiviert vor allem die Chance, Innovationen in die Medizin zu bringen und damit die Versorgung für Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern. Dass das UKB mit dem zweithöchsten Case-Mix-Index zu den leistungsstärksten Kliniken Deutschlands gehört, macht diese Aufgabe umso spannender. Eine Einrichtung wie das UKB führen und gemeinsam weiterentwickeln zu dürfen, empfinde ich als große Ehre – und als echten Antrieb.