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Dunkel Hell

Transparente Wissenschaftskommunikation ist entscheidend

Das Vertrauen in die Wissenschaft wird immer wieder infrage gestellt, aber wie steht es wirklich darum? Dazu forscht Prof. Simone Dohle als Leiterin der Arbeitsgruppe für Gesundheit- und Risikokommunikation. Ein internationales Team unter der Federführung der Harvard University, der ETH Zürich, der Universität Zürich sowie der Gruppe von Prof. Dohle hat in einer neuen Studie das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Wünsche an diese aus der Bevölkerung untersucht. Weltweit ist das Vertrauen auf einem moderat hohen Niveau. In Deutschland ist es das ebenfalls, es liegt jedoch leicht unter dem internationalen Mittel. Über die Studienergebnisse und die daraus folgenden Schlüsse für Forschende am UKB hat Prof. Simone Dohle mit Nele Aumann für UKBmittendrin gesprochen:

Sie sind anfangs von einer größeren Vertrauenskrise in die Wissenschaft ausgegangen. Laut der Studie ist das Vertrauen besser als erwartet. Läuft also in der Kommunikation vieles schon richtig?

Prof. Simone Dohle: Das war ein wenig der Aufhänger unserer Studie. Es gibt immer wieder Presseberichte, in denen gesagt wird, das Vertrauen in die Wissenschaft habe Schaden genommen und wir hätten eine Vertrauenskrise. Unsere Daten unterstützen diese Aussage nicht. Es gibt zwar Länderunterschiede, aber grundsätzlich vertrauen die Menschen den Forschenden.

Was können Forschende am UKB machen, um noch mehr Vertrauen zu erhalten?

Prof. Simone Dohle: Ich glaube man darf nicht den Fehler machen, das zu normativ zu interpretieren. Nicht immer heißt mehr auch besser. Grundsätzlich wünschen wir uns aber natürlich, dass Menschen ein hohes Wissenschaftsvertrauen haben. Wir wissen aus anderen Studien, dass ein hohes Vertrauen viele positive Einflüsse haben kann. Ein Beispiel dafür ist eine Studie, die wir während der Corona-Pandemie durchgeführt haben. In dieser haben wir untersucht, inwieweit Wissenschaftsvertrauen und auch Vertrauen in die Politik damit zusammenhängt, ob Personen Schutzmaßnahmen wie Abstand halten oder Maske tragen auch tatsächlich durchführen. In der Studie konnten wir klare Zusammenhänge finden. Je mehr Vertrauen jemand in Wissenschaft hatte, desto eher hat sich diese Person auch an Regeln gehalten.

Dann ist ein höheres Vertrauen doch gut.

Prof. Simone Dohle: Einerseits ja, denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten nach festen methodischen Standards und streben nach objektiven Erkenntnissen. Andererseits sind sie auch nur Menschen, und wie in jedem Bereich gibt es auch in der Wissenschaft Fälle von Unredlichkeit – sei es durch bewusste Falschangaben, Interessenkonflikte oder methodische Fehler. Ein gesundes Maß an Vertrauen ist daher angebracht, aber blindes Vertrauen wäre problematisch. Wissenschaft lebt von kritischer Prüfung, und es ist wichtig, Forschungsergebnisse nachvollziehbar zu hinterfragen, um ihre Zuverlässigkeit zu gewährleisten.

Ich würde nicht behaupten, dass es einen idealen Wert für das Vertrauen in die Wissenschaft gibt. Vertrauen hängt von vielen Faktoren ab, darunter kulturelle und systemische Unterschiede zwischen Ländern. Wissenschaftssysteme sind nicht überall gleich, weshalb es schwierig ist, eine allgemeingültige Aussage darüber zu treffen, welches Maß an Vertrauen angemessen ist. Zudem spielt es eine Rolle, wen man sich unter Wissenschaftler*in vorstellt – das Spektrum reicht von Ärzt*innen über Physiker*innen bis hin zu Soziolog*innen. Das Vertrauen kann je nach Fachbereich variieren; in Deutschland und vielen anderen Ländern genießen Ärztinnen und Ärzte beispielsweise ein besonders hohes Ansehen.

Haben Sie Handlungsanweisungen oder Tipps, die Forschende am UKB befolgen können?

Prof. Simone Dohle: Was ich besonders betonen möchte: Wissenschaftskommunikation lohnt sich. In unserer Studie haben wir gesehen, dass die Bevölkerung ein starkes Interesse daran hat, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Forschungsergebnisse sprechen. Dabei geht es nicht nur um die Resultate selbst, sondern auch um die Wege, die zu diesen Ergebnissen geführt haben. Auch die bereits angesprochene Studie während der Pandemie zeigt, dass es sich auszahlt, Zeit in Wissenschaftskommunikation zu investieren.

Wie bekommt man denn dann Vertrauen?

Prof. Simone Dohle: Es gibt nicht das eine Wundermittel, mit dem man magisch das Vertrauen in der Bevölkerung erhöht. Man sollte sich eher umgekehrt fragen: Was macht uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich vertrauenswürdig? Was sind die Verhaltensweisen, die ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin an den Tag legen sollte, sodass Menschen sagen: Diese Person hat mein Vertrauen verdient?

Wie schafft man das?

Prof. Simone Dohle: Es gibt einige grundlegende Prinzipien, die dabei helfen, Vertrauen als Wissenschaftler*in zu schaffen. Unsere Aufgabe ist es in erster Linie, Forschungsergebnisse sachlich zu vermitteln und Menschen nicht von einer bestimmten Position zu überzeugen. Deshalb sollten Ergebnisse nicht einseitig dargestellt werden. Eine möglichst neutrale, transparente Kommunikation ist entscheidend, auch wenn das nicht immer einfach ist. Doch genau diese Offenheit wird von der Öffentlichkeit geschätzt. Vertrauen entsteht, wenn klar wird, dass es nicht darum geht, eine vorgefertigte Meinung zu vertreten, sondern Fakten und Zusammenhänge so objektiv wie möglich darzustellen. Dazu gehört auch, Unsicherheiten offen zu benennen. Je nach Thema kann es sinnvoll sein, klar zu machen, dass in bestimmten Bereichen noch offene Fragen bestehen oder dass widersprüchliche Erkenntnisse existieren. Diese Ehrlichkeit wird in der Regel positiv aufgenommen und stärkt die Glaubwürdigkeit.

Also sollte man für ein gutes Vertrauen auch seine Fehler zugeben oder herausstellen, wenn etwas nicht geklappt hat?

Prof. Simone Dohle: Genau das ist der Teil der wissenschaftlichen Methode, sodass man aus seinen Fehlern und Irrwegen lernt. Wissenschaft entwickelt sich gerade dadurch weiter. Deshalb sollte man solche Erkenntnisse auch offen kommunizieren. Transparenz und Ehrlichkeit in der Wissenschaft sind entscheidend – Vertrauen wird nicht einfach vorausgesetzt, sondern muss durch verantwortungsvolle Kommunikation und nachvollziehbares Handeln verdient werden.

Was muss man tun, um Vertrauen zu gewinnen?

Prof. Simone Dohle: Vertrauen in Wissenschaftler*innen lässt sich in drei zentrale Dimensionen unterteilen: Expertise, Integrität und Wohlwollen. Expertise ist leicht verständlich – Menschen vertrauen Forschenden, wenn sie den Eindruck haben, dass diese fachlich kompetent sind und über fundiertes Wissen in ihrem Bereich verfügen. Integrität bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen ehrlich, transparent und nach wissenschaftlichen Standards arbeiten sollten. Ihre Methoden und Ergebnisse müssen nachvollziehbar und frei von Manipulation oder Interessenkonflikten sein. Wohlwollen beschreibt, ob Forschende das Gemeinwohl im Blick haben und verantwortungsvoll mit ihrem Wissen umgehen. Sie sollten nicht aus Eigeninteresse handeln, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist – etwa, weil jemand nicht integer arbeitet – kann es durchaus berechtigt sein, dieser Person kein Vertrauen zu schenken. Kritisches Hinterfragen ist daher nicht nur legitim, sondern essenziell für eine gesunde Wissenschaftskultur.

Sie haben auch untersucht, was die Teilnehmenden an der Studie glauben, woran geforscht wird und was sie sich wünschen. Welche Rolle spielt Vertrauen hier?

Prof. Simone Dohle: Die Befragten haben in vielen Ländern angegeben, dass ihnen die Gesundheitsforschung besonders wichtig ist. Auch in Deutschland war diese Kategorie am meisten gewünscht. Das zeigt, dass wir gute Voraussetzungen haben. In den letzten Jahren hat sich bereits vieles positiv entwickelt. Wissenschaftskommunikation spielt eine zunehmend größere Rolle: Es wird nicht nur über Forschungsergebnisse gesprochen, sondern auch über die Methoden, den Publikationsprozess und die Hintergründe wissenschaftlicher Arbeit. Zudem werden immer mehr Menschen eingebunden, die sonst wenig Berührungspunkte mit Wissenschaft haben – etwa durch Citizen-Science-Projekte, die direkte Einblicke und Mitwirkung in Forschungsprozesse ermöglichen. All diese Entwicklungen zahlen sich aus. Gleichzeitig ist Vertrauen etwas, das nur langfristig wächst. Es wird nicht allein von Forschenden geprägt, sondern entsteht an vielen Stellen. Schon in der Schule kann der Grundstein für das Verständnis wissenschaftlicher Methoden gelegt werden – etwa durch Experimente, die veranschaulichen, wie Erkenntnisse gewonnen und überprüft werden. Auch die Medien spielen eine entscheidende Rolle: Hochwertiger Wissenschaftsjournalismus kann Vertrauen stärken, während schlechter Journalismus es untergraben kann.

Es klingt, als könne es nie schaden, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit ihnen zu reden und sich als Wissenschaftler*in an Aktionen zu beteiligen. Ist das besonders wichtig?

Prof. Simone Dohle: Absolut, das ist sehr wichtig. Es gibt manchmal das Missverständnis, dass Wissenschaftskommunikation nur einseitig ist, wobei Forschende nur von ihrer ‘Kanzel’ herab reden. Aber das ist nicht der Fall. Wissenschaftskommunikation sollte idealerweise ein interaktiver, bidirektionaler Prozess sein. Auch Wissenschaftler*innen können enorm von einem Austausch mit der Öffentlichkeit profitieren. Besonders in Disziplinen, die eng mit dem Alltag der Menschen verknüpft sind, wie Medizin oder Sozialwissenschaften, ist der Blick der Bevölkerung oft enorm wertvoll. Es geht darum, wie Menschen bestimmte Themen wahrnehmen. Ein „Reality Check“ durch den Austausch mit der Gesellschaft kann helfen, die richtigen Prioritäten zu setzen.

Was wäre Ihnen abschließend als Botschaft für die Mitarbeitenden am UKB besonders wichtig?

Prof. Simone Dohle: Statt gezielt nach Strategien zur Vertrauenssteigerung zu suchen, sollte der Fokus darauf liegen, durch verantwortungsvolles Handeln tatsächlich vertrauenswürdig zu sein. Das bedeutet nicht nur fachliche Exzellenz, sondern auch Integrität und ein klares Engagement für die Gesellschaft. Gleichzeitig ist es wichtig, den Menschen nachvollziehbare und verständliche Belege für diese Vertrauenswürdigkeit zu liefern – sei es durch transparente Kommunikation, Offenheit über Unsicherheiten oder den ehrlichen Austausch mit der Öffentlichkeit.

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