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Dunkel Hell

Experteninterview für nachhaltige Veränderungen im neuen Jahr

Neues Jahr, neue Vorsätze – eine Tradition, die viele von uns pflegen: mit frischen Zielen und neuer Motivation ins neue Jahr starten. Doch warum fällt es oft so schwer, Vorsätze einzuhalten? Wie können wir realistische Ziele setzen, die wirklich zu uns passen, und wie bleiben wir langfristig dran? Die UKBmittendrin-Redaktion hat dazu mit Dr. Marie-Christin Atzor, Psychologische Psychotherapeutin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB, gesprochen und wertvolle Tipps gesammelt:

Was bedeutet das neue Jahr für Sie persönlich? Neustart oder Fortsetzung?

Für mich ist das neue Jahr eine Mischung aus Beidem. Der kalendarische Neuanfang bietet immer eine wunderbare Gelegenheit, innezuhalten und zurückzublicken: Was habe ich im alten Jahr erreicht? Gleichzeitig ist es eine Chance, nach vorne zu schauen und neue Vorsätze zu formulieren. In unseren Gruppenangeboten nutzen wir die Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren, um gemeinsam Ziele zu reflektieren und zu setzen.

Wie finde ich heraus, was passende Ziele für mich sind?

Übernehmen Sie nicht einfach klassische Ziele aus Social-Media, Zeitschriften oder von Freunden. Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich. Schreiben Sie auf, welche Aktivitäten Sie an einem normalen Arbeitstag glücklich machen: Wo fühlen Sie sich wohl? Was tut Ihnen gut? Ist es vielleicht die Zeit mit Freunden, Sport oder Musikmachen? Oft sind diese Ressourcen schon vorhanden – wir müssen sie nur bewusster integrieren und überlegen, wie wir sie noch mehr in unseren Alltag integrieren können. Ebenso wichtig: Welche Dinge in Ihrem Alltag tun Ihnen nicht gut? Auch dort können Sie ansetzen.

Ein Beispiel: Wenn das Stück Kuchen nach dem Essen zwar lecker ist, aber später ein schlechtes Gefühl auslöst, könnten Sie es durch eine Alternative ersetzen, die langfristig besser für Sie ist.

Warum fällt es uns oft schwer, neue Vorsätze einzuhalten?

Der häufigste Grund ist das Setzen unrealistischer Ziele. Verhaltensänderungen sind komplex und brauchen Zeit – sie erfordern eine emotionale Verbindung. Es reicht nicht, etwas rein rational zu beschließen.

Ein Beispiel: „Ich will einen Marathon laufen.“ Das klingt beeindruckend, aber ist das wirklich mein Ziel? Oder mache ich es nur, weil Freunde es tun? Außerdem hilft es, große Ziele in kleine Etappen zu zerlegen – die sogenannte Salamitaktik. Wer noch nie gejoggt ist, sollte vielleicht mit einem 10-minütigen Spaziergang beginnen und sich dann langsam steigern. So wird das große Ziel greifbarer.

Und ein weiterer Tipp: Formulieren Sie Ziele positiv! Statt „Ich möchte keine Süßigkeiten mehr essen“ könnte das Ziel lauten: „Ich möchte erstmal zweimal pro Woche nach dem Mittagessen stattdessen einen Apfel essen.“ Damit verbieten Sie sich nichts, sondern ersetzen in kleinen Schritten etwas durch eine positive Alternative.

Wie kann man motiviert bleiben? Gibt es psychologische Tricks?

Ja, mehrere!

  1. Planung: Erstellen Sie einen Tagesplan, der nicht nur Aufgaben enthält, sondern auch positive Aktivitäten. Etwa: Mittagessen mit einer Kollegin, Sport oder einen Spaziergang. So bleibt der Tag ausgewogen und motivierend.
  2. Verbündete: Verabreden Sie sich zum Sport oder Kochen – gemeinsam fällt es leichter, dranzubleiben.
  3. Coaching: Wenn es allein schwerfällt, kann professionelle Unterstützung hilfreich sein.
Wie wichtig sind Erfolge und Misserfolge auf dem Weg zu unseren Zielen?

Erfolge sind essenziell. Deshalb sind kleine, realistische Teilziele so wichtig. Wenn ich beispielsweise zweimal pro Woche statt Kuchen Obst esse, ist das ein Erfolg, den ich feiern kann. Zu große Ziele führen oft zu Enttäuschung und innerer Kritik. Viele Menschen sagen sich dann: „Das war ja klar, dass ich das nicht schaffe.“ Solche Gedanken können demotivierend sein.

Wichtig ist auch, Misserfolge zuzulassen.Verhaltensänderungen sind ein Prozess – Rückschläge gehören dazu. Sehen Sie sie als Teil der Entwicklung und sagen Sie sich: „Heute lief es nicht optimal, aber morgen kann ich es wieder versuchen.“

Tipps für den Umgang mit Rückschlägen:

  1. Den inneren Kritiker erkennen und Gedanken hinterfragen.
  2. Den langfristigen Fokus bewahren: Ein Rückschlag ist kein Scheitern, sondern nur ein Ausrutscher. Denken Sie an die vielen Tage, an denen Sie Ihre Ziele bereits erfolgreich verfolgt haben und wie viele Tage noch vor Ihnen liegen, wo Sie erneut die Chance haben am Ball zu bleiben.
Wie viele Ziele sind realistisch?

Das hängt von der Person ab. Ich finde 3–4 Ziele in verschiedenen Bereichen – Karriere, soziale Beziehungen, Gesundheit, Wellness – für mich persönlich hilfreich. Wichtig ist, dass die Ziele erreichbar bleiben.

Hilft es, Ziele aufzuschreiben oder zu visualisieren?

Definitiv. In der Therapie arbeiten wir oft mit Visualisierung, weil rein rationale Überlegungen oft nicht reichen. Ein emotionaler Bezug zu den Zielen ist entscheidend.

Ein Visionboard kann dabei helfen: Das ist eine Collage mit Bildern, Worten oder Symbolen, die Ihre Ziele und Wünsche darstellen. Zum Beispiel könnten Sie ein Foto der Insel, die Sie bereisen möchten, auf das Board kleben, um sich Ihr Ziel greifbarer zu machen und sich die Frage zu stellen „was muss ich verändern, um mein Ziel zu erreichen“. Auch Bilder, die die positiven Folgen eines gesünderen Lebensstils oder die negativen Folgen eines ungesunden Lebensstils zeigen, können zusätzlich zur Verhaltensänderung motivieren. Wenn man sich die Collage und die möglichen Veränderungen dann immer wieder vor Augen führt, kann das eine wertvolle Unterstützung auf dem Weg zum persönlichen Ziel sein.

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