Hintergründe und Situation am UKB
Informationen durch den Pflegedirektor Alexander Pröbstl
Am 21. Januar 2022 hat ver.di dem Arbeitgeberverband NRW (AdL) ein 100-Tage-Ultimatum für einen Flächentarifvertrag „Entlastung“ für alle Universitätskliniken in NRW gestellt (TVL-E). Der AdL ist eine Vereinigung von Arbeitgebern, die nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes Tarifvertragspartei und Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ist. Die Universitätskliniken sind per Landesgesetzgebung Mitglied im AdL. Daraus folgt, dass die Universitätskliniken selbst nicht Tarifverhandlungspartner sein können, sondern die TdL dies ist. Diese hat den Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen auf Verhandlungsaufnahme am 2. Mai 2022 abgelehnt.
Daher konnte der Eindruck bei den Beschäftigten entstehen, dass wir als Vorstand des UKB das sogenannte 100-Tage-Ultimatum verstreichen ließen. Tatsächlich haben alle Vertreter der Unikliniken darauf hingewirkt, dass der AdL seine Stimme im TdL erhebt und die Verhandlungen einfordert. Mehrheitlich wurde in einem demokratischen Prozess im TdL dieser Wunsch der Unikliniken NRW abgelehnt.
Um eine rechtliche Situation herbeizuführen, die den Universitätskliniken die Aufnahme von Gesprächen erlaubt, muss das Land NRW das Hochschulgesetz ändern. Der Änderungsantrag wurde durch die Staatssekretäre und letztlich den Ressortminister im Kabinett auf den Weg gebracht. Der Gesetzesbeschluss zum Austritt aus dem AdL zum 31.12.2022 erfolgte in der Lesung im Landtag Ende Juni 2022. Damit wurden die Kündigung und der Austritt aus der Tarifgemeinschaft zum 31.12.2022 möglich.
Der Vorstand am Universitätsklinikum Bonn (UKB) unterstützt grundsätzlich die Forderung nach Entlastung der Pflege und bekennt sich gleichzeitig zu dem gemeinsamen Auftrag der Universitätskliniken zur Krankenversorgung schwerstkranker Patienten, die der Maximalversorgung bedürfen. Deswegen haben die Vorstände der Universitätskliniken NRW Gespräche mit ver.di auf den Weg gebracht. Die Verhandlungen in einem insgesamt positiven Kontext finden in Köln statt und stehen kurz vor dem Finale.
Das UKB hat darüber hinaus zur Absicherung der Patientensicherheit eine Notdienstvereinbarung mit ver.di geschlossen, um die Notfallversorgung sicherzustellen. Seit Streikbeginn sind über 200 Betten am UKB geschlossen. Viele Behandlungen und Operationen müssen aktuell verschoben werden. Wenn eine Behandlung nicht in anderen Krankenhäusern möglich ist, werden Patienten auf Wartelisten gesetzt. Die medizinische und pflegerische Spitzenversorgung der uns anvertrauten Menschen und die Krankenhausbehandlung in der Region und überregional ist unsere Aufgabe, unsere Verantwortung und hat oberste Priorität.
Das UKB unternimmt massive Anstrengungen, um Pflegefachkräfte zu gewinnen. Es gibt seit mehreren Jahren bereits keine Begrenzung für das Einstellen von qualifiziertem, fachlich geeignetem Pflegefachpersonal. So wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als 350 Pflegefachkräfte aus dem internationalen Ausland rekrutiert. Neben massiver Werbung in allen sozialen Medien, finanziert das UKB Werbekampagnen lokal vor Ort, in Zeitungen und Internetportalen, bietet Anwerbeprämien und unterstützt durch Anmietung von Wohnraum den Zuzug von Pflegefachpersonal. Pflegefachlich stehen wir vor enormen Herausforderungen, die vielen Menschen aus In- und Ausland gut zu integrieren. Dankbar möchte ich erwähnen, dass gerade in den letzten Tagen über 20 Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner die staatliche Anerkennung erhalten haben. Allein in diesem Jahr rechnen wir mit mindestens 50 VK, die eine Anerkennung erhalten werden.
Uns als Arbeitgeber Universitätsklinikum Bonn ist jede Pflegefachkraft herzlich willkommen!
Aufgrund des inzwischen seit über zwei Monaten andauernden Streiks, der trotz kontinuierlicher, konstruktiver Gespräche mit der Tarifkommission von ver.di weitergeführt wird, haben sich die Vorstände aller Unikliniken zum Schutz unserer Patienten veranlasst gesehen, die Rechtmäßigkeit des Streiks grundsätzlich und die der Notdienstvereinbarung in der Nebensache durch das Gericht prüfen lassen. In erster Instanz hat das Gericht in Bonn die Entscheidung getroffen, dass die derzeitige Notdienstvereinbarung als ausreichend für die Patientenversorgung zu bewerten war, allerdings für den OP zugunsten der Patientenversorgung angehoben wurde, und in der Hauptsache an die nächsten Instanzen verwiesen. Ein gutes Ergebnis für die Patienten. Es war keine Entscheidung gegen die Pflegenden, was vereinzelt kolportiert wurde. Als Pflegedirektor stehe ich grundsätzlich zum Streikrecht als wesentlichen Artikel unseres Grundgesetzes und unserer Demokratie. Und auch die Judikative ist Bestandteil der Rechte der Tarifpartner und wird zur rechten Zeit von allen Seiten genutzt.
Nach dem Streik ist vor dem Streik!
In den letzten Wochen beobachte ich Besprechungen und schwierige kommunikative Situationen zwischen Beschäftigten, die sich nicht dem Streik angeschlossen hatten, und Beschäftigten, die ihr Streikrecht ausübten. Auch persönliche Grenzüberschreitungen von beiden Seiten wurden beobachtet. Jetzt sollte es unser gemeinsames Interesse sein, den Blick auf sie sogenannten „zwei Seiten“ aufzugeben und wieder zurückzukehren in die Gemeinschaft der UKB’ler, die gut zusammenarbeiten, gern auch berufspolitisch diskutieren und die beste Krankenversorgung und Pflege für unsere Patienten sicherstellen.