Interview mit Leah Dörr und Martin Strahl über Sinn und Zweck der Berufsvertretung
Pflegende aus ganz Nordrhein-Westfalen machen sich für die Einrichtung einer Pflegekammer stark, um endlich ihre Interessen in einem angemessenen Gremium vertreten zu können. Am UKB hat sich das Team Pflegekammer gebildet, das Kolleg:innen informiert und für Fragen zur Verfügung steht. Leah Dörr, die als Advanced Practice Nurse das Zentrale Wundmanagement des UKB leitet, und Martin Strahl, stellvertretender Leiter der Station Freud und der Diamorphinambulanz in der Psychiatrie, erklären, welche Ziele eine Pflegekammer verfolgt und was die Politik dank Pflegekammer besser machen könnte.
Frau Dörr, Herr Strahl, Sie beide engagieren sich bei uns am UKB für die Errichtung einer Pflegekammer in NRW. Warum ist es Ihnen so wichtig?
Leah Dörr: Pflege ist eine eigenständige Profession und hat nun auch durch die Politik die Möglichkeit erhalten, sich selbst zu verwalten. Pflege braucht eine Stimme und mit der Pflegekammer haben wir endlich die Chance, unsere Perspektiven in politischen Gremien einzubringen. Es soll nicht länger über uns, sondern mit uns gesprochen werden. Wir müssen uns zudem selbst verwalten können, um Pflege aus der eignen Profession heraus weiterentwickeln zu können.
Martin Strahl: Wenn man die letzten Jahre und Jahrzehnte betrachtet, stellt man fest, dass es viele politische Entscheidungen mit Relevanz für Pflegefachpersonen gab, an denen unsere Berufsgruppe nicht beteiligt war. Damit sich das ändert, braucht unsere Berufsgruppe eine einheitliche Vertretung bzw. die Politik einen Ansprechpartner, der berechtigt ist, für alle Pflegefachpersonen zu sprechen.
Was erhoffen Sie sich von einer Berufsvertretung für die Pflegenden in NRW?
Leah Dörr: Ich erhoffe mir eine eindeutige Berufsordnung und einheitliche Regelungen zu pflegerischen Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie Gutachten o. ä. Das Ziel der Kammer ist die Sicherung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung und dies sollte mit der höchst möglichen Qualität erreicht werden. Zudem wünsche ich mir, dass unsere professionsbezogenen Perspektiven, Erfahrungen und Erkenntnissen anerkannt und in (politischen) Entscheidungen verbalisiert sowie berücksichtigt werden können. Hierdurch soll der pflegerische Beruf zukünftig und langfristig wieder attraktiver werden. Durch die Pflegekammer können wir uns als Profession Gehör verschaffen und weiterentwickeln.
Martin Strahl: Ich bin überzeugt, dass unsere Berufsgruppe kompetent genug ist, sich selbst zu prüfen (bislang haben bspw. Ärzt:innen den Vorsitz beim Examen) oder Weiterbildungsverordnungen zu schreiben (bislang durch Politik). Nach der bundesweiten Einführung der generalistischen Ausbildung sehe ich den Bedarf für ein größeres Weiterbildungsangebot. Außerdem ist eine kompetente Beratung der Politik und eine zentrale Anlaufstelle für Pflegebedürftige und ihre Angehörige überfällig. Qualifizierte Gutachter:innen und Sachverständige können ebenso benannt werden.
Wie sieht Ihr Engagement im Team Pflegekammer am UKB aus?
Leah Dörr: Wir sind Teil der Arbeitsgruppe „Team Pflegekammer NRW UKB“, die sich wöchentlich freitagsnachmittags trifft und aktuelle Themen bespricht. Aktuell bieten wir als AG vor allem Informationsveranstaltungen rund um das Thema Pflegekammer, Registrierung, etc. an und verteilen Informationsmaterialien. Wir beantworten häufige Fragen und versuchen falsche Informationen aufzuarbeiten. Hierzu sind wir auch auf Social Media unter dem Account „Pflegekammer_machen“ auf Facebook und Instagram aktiv. Ende September haben wir uns beispielsweise auf der Pro-Pflegekammer Demo in Düsseldorf aktiv für die Kammer eingesetzt. Der nächste Schritt wird die Vorbereitung der eigenen Wahlliste für März 2022 sein. Hierzu sind wir aktuell mit anderen Bonner Kliniken in den Austausch getreten.
Martin Strahl: Vor ca. einem Jahr bat mich Herr Pröbstl* um meine Unterstützung in Sachen Pflegekammer, was ich gerne angenommen habe. Seitdem sind wir zu einem ehrenamtlichen Team angewachsen, welches öffentlich aufklärt und sich zu einer Wahlliste für die Wahl der ersten Pflegekammer NRWs zusammenschließen wird.
Welche Reformen sollte die Politik in Bezug auf die Pflege an deutschen Kliniken dringend angehen?
Leah Dörr: Statt der Personaluntergrenzen sollte die Politik dringend die sogenannten PPR 2.0 in den Gesetzgebungsprozess miteinbeziehen. Dieses Instrument kann den tatsächlichen Pflegepersonalbedarf der Einrichtung darstellen. Es wird kein Mindestmaß angelegt, sondern die hohe Qualität der pflegerischen Arbeit in den Fokus der Bemessung genommen.
Martin Strahl: Meiner Meinung nach sollte die Politik eine Vertretung der Pflegefachpersonen (bspw. eine Bundespflegekammer) mit Stimmberechtigung im Gemeinsamen Bundesausschuss installieren und ein Einfluss auf ökonomische Entscheidungen ermöglicht werden. Des Weiteren sollten Experten aus Pflegewissenschaft und Pflegepraxis bei Gesetzesvorhaben noch enger beteiligt werden. Unter Berücksichtigung von Evidenz und zur Verbesserung der Versorgungsqualität sollte der Fokus weniger auf Personaluntergrenzen liegen und mehr auf eine optimale Personalbemessung für eine gute Pflege hingearbeitet werden. Diese Diskussionen werden eine positive Auswirkung auf die Pflege an deutschen Kliniken haben.
*Alexander Pröbstl, Pflegedirektor am UKB