Zwei Betroffene, die an der psychokardiologischen Studie teilnahmen, berichten über ihre Erfahrung mit der behandlungsübergreifenden Patientenbegleitung
Herz-Kreislauf-Patient*innen leiden häufig unter psychischen Belastungen, so auch Inge S. und Karl K. Zwölf Monate wurden beide im Rahmen der so genannten TEACH-Studie, an der das UKB als eins von insgesamt sechs Studienzentren beteiligt ist, von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie erfolgreich begleitet. Die Forschungsarbeit soll klären, ob eine patientenzentrierte Unterstützung, die medizinische und psychosoziale Faktoren berücksichtigt, den Krankheitsverlauf Betroffener nachhaltig verbessern kann. Ziel ist eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und des Gesundheitsverhalten. Dazu kommuniziert eine Behandlungsassistenz mit den Betroffenen und den behandelnden Ärzten, um individuelle psychische Stressbelastungen und Verhaltensweisen zu identifizieren, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. „Wir holen die Patienten dort ab, wo sie stehen und helfen ihnen, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Wir versuchen ihnen zur Autonomie zu verhelfen“, sagt Gabriele Kirschke, Studienkoordinatorin und stellvertretende Leitung Pool Study Nurses der Pflegedirektion am UKB. Über ihre Erfahrungen mit der TEACH-Studie sprachen jetzt die beiden Studien-Teilnehmenden im Alter von 52 und 73 Jahren mit ukb-mittendrin:
Bildauthor: Katharina Wislsperger
„Studienkoordinatorin Gabriele Kirschke im Gespräch mit Studienteilnehmer Karl K.“
Per Handy habe ich Sie gerade beim Laufen mit Ihrem Hund im Wald erreicht. Gab es eine Zeit, wo das nicht möglich gewesen wäre?
Inge S: Ja, im Sommer vor zwei Jahren bekam ich kaum noch Luft und es wurde immer schlimmer. Wie der Facharzt dann festgestellt hat, waren meine herznahen Blutgefäße komplett zu. Vor der OP hatte ich Angst. Mein Vater musste auch so früh Anfang fünfzig operiert werden. Mein Arzt vermutet, dass es in der Familie liegt. Doch auch nach der Bypass-OP hatte ich immer noch Angst – Angst davor, morgens wegen einem plötzlichen Herzversagen nicht mehr aufzuwachen.
Wie war es bei Ihnen, Herr K?
Karl K: Vor drei Jahren hatte ich einen Herzinfarkt wegen dem Verschluss von nur einem Herzkranzgefäß. Vorher hatte ich nie Probleme mit dem Herzen, aber vor vielen Jahren einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule. Die kurz und plötzlich auftretenden Schmerzen etwas unterhalb dem Schulterbereich über dem Herzen waren ähnlich und ich dachte, ich bin wieder ein Fall für den Orthopäden. Meine Tochter aber riet mir, dies sofort abzuklären. Die junge Assistenzärztin sah dann sofort, dass ich etwas am Herzen habe. Jetzt nach dem kardiologischen Eingriff an der Bonner Uniklinik fühle ich mich gut. Ich bin aber kraftloser geworden und schneller aus der Puste.
Ihre Motivation an der Studie teilzunehmen?
Inge S: Ich wollte, dass es mir bessergeht, denn ich war immer noch sehr schnell schlapp und konnte nicht mehr viel arbeiten. Ich stand schon seit Jahren unter Dauerstress sowohl beruflich als auch privat. Ich habe mich schon immer viel um meine Familie gekümmert. Ich wollte besser mit Stress umgehen können und nicht wieder in meinen alten Alltagstrott fallen.
Karl K: Als Fachpfleger für Gerontopsychiatrie habe ich mich schon immer dafür interessiert, wie Theorie in die Praxis umgesetzt werden kann, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern.
…und Ihre mehr persönliche Motivation?
Karl K: Ich wollte mehr über meine eigene Krankheit erfahren, mit der ich mich vorher gar nicht beschäftigt habe. Erst durch die TEACH-Studie sind mir meine Einschränkungen und deren Ursachen klargeworden. Die Gespräche mit Frau Sailler darüber, wo man noch was ändern kann und wo was gut gelaufen ist, fand ich positiv. Das hat mir geholfen, die Erkrankung besser anzunehmen. Dabei geht es hauptsächlich um mein Gewicht – damit kämpfe ich. Jetzt kurz nach Studienende sind es 105 Kilo, aber jetzt im Frühjahr hoffe ich, da noch mehr tun zu können.
Früher war ich Fußballprofi in Holland und bis vor wenigen Jahren habe ich hier bei den Altherren gespielt – und auch gerne mit meinen drei Enkeln den Ball rollen lassen. Doch nach der Aufgabe des für mich schönsten Hobbys der Welt habe ich den Fehler gemacht, mich kaum noch zu bewegen. Jetzt will ich das aber ändern und zum Beispiel Fahrrad fahren. Ich nutze auch einen Schrittzähler und versuche, mein Gewicht zu kontrollieren. Es müssen noch ein paar Kilos runter, das ist mir klar.
Und was hat Ihnen die TEACH-Studie gebracht?
Inge S: Die regelmäßigen Telefonate mit Frau Sailler gaben mir Sicherheit und ich schätze ihre Ratschläge. Dank ihrer Hilfe achte ich seit der Studie mehr auf mich und habe auch anschließend mit Schwimmgymnastik angefangen. Aber meine täglichen Spaziergänge von sieben bis acht Kilometer mit meinem Hund sind besser für mein Bein. Ich habe kürzlich Thrombose-Strümpfe verschrieben bekommen.
Wie ist Ihre Situation jetzt ein Jahr nach der TEACH-Studie?
Inge S: Der Alltag kommt mit allem geballt wieder und ich bin irgendwie fast wieder im Laufrad drin. Ich habe viele Termin und meine Arbeit als Floristin ist auch körperlich sehr schwer. Gestern arrangierte ich für drei Beerdigungen die Blumen und Kränze am Grab. Aber ich achte auf mich, zum Beispiel auf mein Cholesterin. Auch habe ich mit mehr als 20 Kilo gut abgenommen. Ich wiege jetzt 73 Kilo – aber 10 Kilo habe ich noch vor. Die Studie hat mir gutgetan. Es gibt einem eine Form von Sicherheit. Mein Hausarzt hat nicht die Zeit für solche intensiven Gespräche und ich kann Frau Sailler anrufen, wenn es wirklich nicht anders geht.
Würden Sie die TEACH-Studie noch einmal machen?
Karl K: Ja, ich würde wieder mitmachen. In der normalen Welt beschäftige ich mich nicht mit meiner Krankheit. Aber ich weiß um die Gefahr, die darin steckt, es nicht zu tun. Die regelmäßigen Anrufe von Frau Sailler, in denen ich mir Rat holen konnte, vermisse ich sehr.
TEACH-Studie wird vom BMBF gefördert
Die Studie „Team-basierte Behandlung für psychisch belastete Patient*innen mit chronischer koronarer Herzkrankheit: Eine randomisiert-kontrollierte Studie (TEACH)“ unter Leitung der Universitätsmedizin Göttingen wird an sechs Studienorten durchgeführt. Am UKB sollen insgesamt 74 koronare Herzpatienten des Herzzentrums am UKB an der TEACH-Studie teilnehmen. Die Hälfte davon wird ambulant von der Behandlungsassistenz betreut. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das im April 2021 gestartete Forschungsprojekt für vier Jahre mit 2,37 Millionen Euro.
Die Studienleiterin am UKB Prof. Franziska Geiser ist überzeugt, dass mit diesem Konzept der Teufelskreis aus Herzkrankheit und psychischer Belastung durchbrochen werden kann. „Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich mit einer behandlungsübergreifenden Patientenbegleitung der Gesundheitszustand der Betroffenen verbessert. Auch mit Blick auf die Zunahme vaskulärer Erkrankungen ist es wünschenswert, dass Ansätze von interdisziplinärer „Collaborative Care“ wie die psychosomatische Behandlungsassistenz Eingang in unsere Versorgungspraxis finden.“
Bildauthor: Katharina Wislsperger
„Prof. Franziska Geiser (re) und Studienkoordinatorin Gabriele Kirschke (li) im Gespräch mit Studienteilnehmerin Inge S.!