Kleine Schritte, große Wirkung
Labore sind Orte der Innovation – doch leider oft auch Hotspots für hohen Energie- und Ressourcenverbrauch. Das Prodekanat für Nachhaltigkeit setzt sich gemeinsam mit dem UKB dafür ein, nachhaltiges Arbeiten im Laboralltag stärker zu verankern. In Schulungen und durch konkrete Projekte wie das LEAF-Programm wird gezeigt: Nachhaltigkeit im Labor ist möglich – und beginnt oft mit einfachen Maßnahmen.
Typische „Umweltsünden“ im Laborbetrieb
Viele umweltbelastende Praktiken im Labor passieren nicht aus bösem Willen, sondern schlicht aus Routine oder Unwissenheit. So verbraucht ein einziger Abzug im Jahr etwa so viel Energie wie 3,5 Einfamilienhäuser. Auch der hohe Plastikverbrauch ist ein Problem: Durchschnittlich fallen pro Forscher*in etwa 116 Kilogramm Plastikmüll jährlich an. Hinzu kommt ein häufig ineffizientes Chemikalien- und Materialmanagement. Nicht selten werden neue Bestellungen getätigt, obwohl Materialien bereits vorhanden sind – nur eben unübersichtlich oder unvollständig dokumentiert.
Effektive Hebel – ganz ohne großen Aufwand
Es braucht nicht immer große Investitionen, um nachhaltiger zu handeln. Bereits einfache Maßnahmen zeigen Wirkung: Mülltrennung mit passenden Mülleimersystemen kann Recycling ermöglichen, wenn Plastik nicht kontaminiert ist. Geräte können über Nacht ausgeschaltet werden, -70°C reichen oft anstelle von -80°C-Kühlung – das spart enorm Energie. Zentral ist auch ein Bewusstseinswandel: „Reduce, Reuse, Recycle, Replace & Rethink“ – wer diesen Leitsatz verinnerlicht, kann viele kleine Veränderungen anstoßen.
„Quick Wins“ im Laboralltag
Schnelle Erfolge lassen sich etwa durch den Einsatz von Nachfüllbeuteln statt Einwegverpackungen erzielen. Auch die Wiederverwendung von Plastikmaterialien – sofern hygienisch vertretbar – ist eine Möglichkeit: Ein einziges Plastikröhrchen kann bei Wiederverwendung bis zu 11-mal weniger CO₂e-Emissionen verursachen. Rücknahmeprogramme, z. B. für Pipettenspitzenboxen, unterstützen die Rückführung in die Kreislaufwirtschaft. Wichtig ist außerdem eine gute Versuchsplanung – wer effizient plant, vermeidet unnötige Wiederholungen und spart damit Ressourcen.
Schulungsangebote: Theorie, Praxis und Austausch
Die Schulungen zur Nachhaltigkeit im Labor bieten eine ausgewogene Mischung aus fundierten Vorträgen, anschaulichen Praxisbeispielen und offenem Austausch. Aktuelle Zahlen und Forschungsergebnisse machen den Handlungsbedarf deutlich, Best-Practice-Beispiele anderer Universitäten zeigen Wege auf. Fachleute aus der Abfallwirtschaft sowie dem Arbeits- und Umweltschutz der Universität Bonn und des UKB beantworten standortspezifische Fragen. Am Ende jeder Schulung bleibt Raum für Diskussion – ein wichtiges Element, um voneinander zu lernen und neue Ideen zu entwickeln.
Für wen sind die Schulungen gedacht?
Das Angebot richtet sich an alle Mitarbeitenden der Universität Bonn und des UKB – also nicht nur an Laborpersonal. Besonders angesprochen sind jedoch die Beschäftigten in Laboren, da sie tagtäglich mit Verbrauchsmaterialien, Geräten und Chemikalien umgehen. Für sie bietet die Schulung wertvolle Impulse, um Arbeitsabläufe nachhaltiger zu gestalten.
Motivation und Aha-Erlebnisse der Teilnehmenden
Die Resonanz ist durchweg positiv: Viele Teilnehmende zeigen sich motiviert, neue Wege zu gehen. Sie sind überrascht, wie viele praktische Ansätze es bereits gibt – und wie viel Potenzial im eigenen Labor steckt. Besonders hervorzuheben ist der Wunsch nach mehr Vernetzung zwischen den Laboren sowie zwischen Universität und UKB. Der Austausch zeigt deutlich: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das viele bewegt.
Wie lässt sich der Erfolg messen?
Veränderungen im Verhalten, im Materialverbrauch oder durch direktes Feedback der Teilnehmenden geben Hinweise auf die Wirkung der Schulungen. Das Prodekanat möchte diesen Dialog weiter ausbauen und mit dem LEAF-Programm (Laboratory Efficiency Assessment Framework) eine langfristige Struktur zur Umsetzung schaffen. Das international etablierte Programm unterstützt Labore dabei, Nachhaltigkeit systematisch zu integrieren – durch klare Kriterien, Selbstevaluation und Auszeichnung auf verschiedenen Stufen.
Langfristige Ziele: Nachhaltigkeit als Teil der Forschungskultur
Langfristig verfolgt das Prodekanat das Ziel, ökologische Verantwortung mit wissenschaftlicher Exzellenz zu verbinden. Dazu gehören: nachhaltige Beschaffung, die Förderung von Mehrwegmaterialien, ein durchdachtes Abfallmanagement und vor allem ein gemeinsames Bewusstsein für nachhaltiges Handeln im Labor. Das LEAF-Programm soll dabei als strukturierendes Element universitäts- und UKB-weit etabliert werden.
Ein einfacher Einstieg – heute noch möglich
Der wichtigste Schritt ist oft ein einfacher: miteinander sprechen. Wer das Thema Nachhaltigkeit im Laboralltag aktiv anspricht und Kolleg*innen dafür sensibilisiert, kann schon viel bewirken. Denn nur gemeinsam lässt sich langfristig etwas verändern.
Interesse geweckt? Jetzt informieren und anmelden!
Weitere Infos sowie Schulungstermine gibt es auf unserer Website:
👉 www.uni-bonn.de/nachhaltigkeit-im-labor
Nachhaltigkeit beginnt im Labor – und mit Eigeninitiative
Seit über 25 Jahren arbeitet die Chemielaborantin Nadja Wahl an der Universität Bonn – und hat früh gelernt, wie wichtig Umweltschutz und wirtschaftliches Arbeiten sind. Als sie bemerkte, wie viele Ressourcen im Laboralltag verschwendet werden, wurde ihr Handlungswille geweckt. Mit dem Ziel, nachhaltige Strukturen zu fördern, stellte sie eigenständig einen Förderantrag und brachte die Schulung „Nachhaltigkeit im Labor“ an ihre Universität. Ihre Motivation: Ressourcen effizienter nutzen, Wissen teilen und gemeinsam neue Wege gehen.
Sie haben nicht nur an der Schulung „Nachhaltigkeit im Labor“ teilgenommen, sondern auch selbst die Initiative ergriffen, diese über den Fördertopf zu beantragen. Was hat Sie dazu motiviert, dieses Thema aktiv voranzutreiben?
Ich bin Chemielaborantin und arbeite seit über 25 Jahren an der Universität Bonn, in der Fakultät für Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaften. Schon in der Schule – das war in den 90er Jahren – wurde großer Wert auf Umweltschutz gelegt. In der Industrie habe ich dann gelernt, wie wichtig wirtschaftliches Arbeiten ist. Als ich an die Universität wechselte, fiel mir immer wieder auf, wie viele Laborgeräte angeschafft und nach Projektende ungenutzt im Keller gelagert wurden – während andere Abteilungen dringend ähnliche Geräte brauchten, sich diese aber nicht leisten konnten.
Als das TA-Forum (eine Plattform für technische Angestellte der Universität) gegründet wurde, habe ich mich von Anfang an dort engagiert. Dort tauschen wir seit vielen Jahren eigeninitiativ Geräte, Glaswaren und unser Know-how aus. Eine Freundin, die am Nachhaltigkeitsbüro einer anderen Universität arbeitet, machte mich im Juni 2023 auf einen Workshop zur Nachhaltigkeit in Laboren an der TU Darmstadt aufmerksam. Das Konzept fand ich sehr passend für unsere Universität – also habe ich einen Förderantrag gestellt, um die Schulung auch bei uns zu ermöglichen.
Inwiefern hat die Schulung Ihren Blick auf den Umgang mit Abfall, Proben und Chemikalien im Labor verändert? Gab es Aha-Momente oder konkrete Erkenntnisse?
Durch die Schulung und die intensivere Beschäftigung mit dem Thema in den letzten Wochen ist mir deutlich geworden, dass es in vielen Bereichen noch Verbesserungsbedarf gibt. Zwar existiert an der Universität ein Abfallmanagementsystem, aber es läuft noch nicht so effizient, wie es sollte. Beim Probenmanagement haben wir als Labormitarbeiterinnen wenig Einfluss, da es sich um die Proben der Wissenschaftlerinnen handelt.
Besonders beim Umgang mit Chemikalien wäre ein zentrales Chemikalienmanagementsystem sinnvoll – um Ressourcen zu schonen und Doppelanschaffungen zu vermeiden. Der Workshop bot einige sehr interessante Beispiele, wie andere Universitäten ihre Abfallströme optimieren oder wie Firmen Recyclinglösungen für ihre Produkte entwickeln. Das war wirklich inspirierend.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken im Laboralltag – insbesondere im universitären oder klinischen Umfeld?
Die größte Herausforderung besteht darin, das wissenschaftliche Personal von nachhaltigen Maßnahmen zu überzeugen. Als technische Angestellte haben wir nur begrenzten Einfluss auf zentrale Entscheidungen – etwa die Einführung eines Chemikalienmanagementsystems, den Aufbau einer Core Facility oder die Etablierung eines geräteübergreifenden Pools. Dabei wären genau solche Maßnahmen wichtig, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Das UKB ist in dieser Hinsicht bereits einen Schritt weiter.
Gibt es konkrete Maßnahmen oder Best Practices aus der Schulung, die Sie gerne im Labor einführen oder weiterverbreiten möchten?
Ja, einige der vorgestellten Ansätze werden hoffentlich im Rahmen des LEAF-Projekts umgesetzt – dem Laboratory Efficiency Assessment Framework. Es befindet sich aktuell in der Einführungsphase und wurde von Frau Dr. Julia Meis-Harris vom Prodekanat für Nachhaltigkeit am UKB initiiert. Die Inhalte des LEAF-Projekts überschneiden sich stark mit denen der Schulung und bieten eine gute Grundlage für mehr Nachhaltigkeit im Laboralltag.
Welche strukturellen Veränderungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, damit Nachhaltigkeit im Laboralltag zur Selbstverständlichkeit wird – an der Uni Bonn, am UKB und darüber hinaus?
Wichtig wäre zunächst einmal mehr Kommunikation – sowohl zwischen den Fakultäten als auch innerhalb der Labore –, um Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Ich halte es außerdem für sinnvoll, an jeder Fakultät einen festen Ansprechpartner*in für Nachhaltigkeit in Laboren zu benennen. So könnten Maßnahmen zielgerichteter koordiniert und dauerhaft verankert werden.