Neues OP-Robotik-Konzept bietet mit On-Demand-Robotik mehr Flexibilität bei chirurgischen Operationen.
Die Klinik für Chirurgie des UKB hat kürzlich die ersten Operationen mit dem innovativen OP-Roboter Dexter erfolgreich durchgeführt. Die Implementierung erfolgte im Rahmen des Innovative Secure Medical Campus (ISMC) Projekts des UKB. Über die Vorteile des neuen Robotik-Systems sprechen Prof. Hanno Matthaei und Dr. Jan Arensmeyer, Chirurgen am UKB, mit ukb-mittendrin:
Was ist der Kern des Dexter-Systems?
Matthaei: Prinzipiell ist es heutzutage noch nicht so, dass ein Roboter selbständig operiert. Der Operateur sitzt an einer Konsole und steuert von dort die Roboterarme. Der Dexter-OP-Roboter hat als Kernkomponenten neben zwei Roboterarmen einen Kameraarm und ist insgesamt klein und fast „handlich“. Er erlaubt als bislang einziges OP-Robotik System, dass der Operateur steril an der Konsole sitzt, dabei aber relativ unkompliziert vom robotischen Operieren auf die herkömmliche Laparoskopie wechseln kann. Da sich seine zwei Roboter-Arme zudem ganz einfach zur Seite nehmen lassen, bin ich bei Komplikationen schnell und ohne langes Einwaschen direkt am Patienten. Das gewährleistet eine hohe Patientensicherheit.
Warum spricht man bei Dexter von einem on demand-System?
Matthaei: Anders als bei anderen Roboter-Systemen muss ich mich im Vorfeld nicht zwischen einer klassisch-laparoskopischen und einer roboterassistierten OP entscheiden. Denn die Roboterarme lassen sich sowohl leicht andocken als auch wieder abdocken. So kann ich quasi per Knopfdruck „on demand“ zwischen robotischem und laproskopischem Vorgehen wechseln. Ich kann auch einen Zeitpunkt planen, wann ich Dexter einsetzen möchte und dies z.B. mit gleichzeitig ablaufenden OPs in Nachbarsälen koordinieren, wenn dort ebenfalls der Roboter für Teilschritte zum Einsatz kommen soll. Damit wird der Einsatz der Technologie optimiert.
Was kann ich mir unter dem modularen Konzept vorstellen und welche Vorteile hat dies?
Matthaei: Die OP-Robotik kann gezielt dort eingesetzt werden, wo deren Vorzüge wie unter anderem hoher Bewegungsgrad der Instrumente, besonders ruhige Führung einer Nadel, exakte Einstellung der 3D-Kamera besonders gebraucht werden. Als Beispiel sei hier das Nähen einer Anastomose im Gastrointestinaltrakt genannt. Dexter kann dabei grundsätzlich bei allen Operationen eingesetzt werden, die wir auch sonst minimal-invasiv durchführen. Wenngleich eine Evidenz noch weitgehend aussteht, gehen wir insbesondere langfristig von einem besseren OP-Ergebnis und einer erhöhten Patientensicherheit durch die OP-Robotik aus, was beim Dexter durch die Sterilität des Operateurs noch einmal unterstützt wird.
Arensmeyer: Anders als andere Systeme ist das Dexter-System eine offenere, modulare Plattform, die um weitere OP-Technik ergänzt bzw. mit ihr kombiniert werden kann. Das Konzept der chirurgischen Robotik wird ein Stück weit zwar simplifiziert, die wirtschaftlichen Aspekte jedoch optimiert, ohne dabei auf die Kernvorteile der Robotik – dem präzisen Präparieren in engen Körperräumen und bei komplexen OP-Schritten – verzichten zu müssen. Kurzum: Die Robotik wird ressourcenschonend da eingesetzt, wo Sie derzeit wirklich Vorteile bringt und macht sie somit auch in einem erweiterten Eingriffsspektrum zur sinnvollen Ergänzung. Das robotische Operieren wird so auch zugänglicher für angehende Chirurgen in früheren Ausbildungsstadien.
Matthaei: Zwar sind Robotik-Systeme von der Investition und den laufenden Kosten her aufwändig. Der Dexter als recht mobiles System erscheint aber kosteneffizient, unter anderem weil sich die Abteilungen eines Krankenhauses oder auch lokal vernetzte Kliniken diesen untereinander „teilen“ könnten. Dadurch wäre auch eine Art der Demokratisierung der OP-Robotik denkbar mit stärkerer Verbreitung der high-end Medizin auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen. Bislang profitieren weltweit überwiegend wohlhabendere Bevölkerungsschichten von den Vorzügen der OP-Robotik. Wir sehen perspektivisch in der fortschreitenden Digitalisierung der Chirurgie eine große Chance für mehr Gerechtigkeit in der weltweiten operativen Versorgung.
Stellt das Dexter-System eine Herausforderung beziehungsweise eine Chance dar?
Matthaei: Es ist immer eine große Herausforderung, in der Chirurgie eine neue Technologie einzuführen. Das ist ein langer und auch riskanter Prozess und intensive Trainings sind gefordert vor der ersten OP. Alle im Team müssen mitziehen und wie Zahnräder ineinandergreifen. Erst dann kann man auch die Vorteile eines neuen Systems generieren.
Arensmeyer: Bei der aktuell hochdynamischen Technologisierung, nicht nur in der Medizin, geht es weit über die reine Robotermechanik heraus. Wir verstehen den OP-Saal der Zukunft als Zusammenspiel solcher Lösungen mit Systemen der künstlichen Intelligenz und erweiterten Realitäten. Wir wollen diese Entwicklungen als Chance verstehen, jedoch stets den kritischen Blick des Anwenders mit der Verantwortung für den Patienten behalten.
Matthaei: Chirurgie ist traditionell ja ein manuell dominiertes Fach. Mit der rasant fortschreitenden Digitalisierung gibt es ganz neue Chancen hin zu einer zunehmenden Automatisierung von Teilschritten bis hin zu einer denkbaren Autonomisierung von Operationen. Die Dynamik ist nur schwer abschätzbar. Unser Team hält es für besonders wichtig, den technischen Fortschritt im akademischen Setting zu unterstützen und zu begleiten, wobei die Patientensicherheit immer oberste Priorität haben muss.