„Ich bin immer wieder begeistert, was für geniale Ideen in den Köpfen am UKB generiert werden“
Dr. rer. nat. Christine Fuhrmann leitet die Studienzentrale SZB am UKB. Mit 12 Jahren Erfahrung am Klinikum kennen sie und ihr 35-köpfiges Team sich gut aus und haben schon viele klinische Studien bei der Planung und Durchführung unterstützt. Von der Definition der Studienziele über Drittmittel-Anträge bis hin zur statistischen Auswertung und dem Abschlussbericht unterstützen die hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen in der Studienzentrale Sie bei Ihrem Studienvorhaben. Was die Studienzentrale ganz genau ist und was ihre Aufgaben sind, hat Dr. Fuhrmann im Interview verraten.
Was macht die Studienzentrale? Wer sind Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen?
Die Studienzentrale ist vergleichbar mit einer Core Facility und ist eine Einheit eines interdisziplinären Teams, das aus Naturwissenschaftler*innen, Ärzt*innen, Pharmazeut*innen, Datenmanager*innen, Biolog*innen, Informatiker*innen, Statistiker*innen, Mathematiker*innen, Klinischen Monitor*innen, Safety Manager*innen, Projektmanager*innen, Qualitätsmanager*innen und Biometriker*innen besteht. Diese 42 Mitarbeitende unterstützen Forscherinnen und Forscher am UKB bei der Planung und Durchführung ihrer klinischen Studien.
Wen kann die Studienzentrale unterstützen?
Grundsätzlich werden alle Ärzt*innen, Wissenschaftler*innen der medizinischen Fakultät und Mitarbeitende des Johanniter Krankenhauses, die an der Durchführung klinischer Studien interessiert sind, von der Studienzentrale unterstützt. Unter den Bereich klinische Studien fallen dabei nicht nur Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten, sondern auch solche, bei denen prospektiv, aber auch retrospektiv Daten zu Patient*innen in den unterschiedlichsten Indikationen gesammelt werden.
Im Jahr 2022 kamen Anfragen aus insgesamt 27 Kliniken und Instituten des UKB, um sich bezüglich anstehender Studien beraten zu lassen. Aus diesen Anfragen ergab sich schließlich eine überdurchschnittlich hohe Zahl von 54 Studienberatungen.
Wie und womit unterstützen Sie?
Bei der Kontaktaufnahme mit den Forschenden ist zunächst eine Grundidee für eine klinische Studie vorhanden. Diese wird im Folgenden soweit hinterfragt, dass sie möglichst präzise und konkret formuliert werden kann – es entsteht im Zusammenspiel aus wissenschaftlichem und medizinischem Input durch die Forschenden und dem Fachwissen zum Studiendesign der Studienzentrale ein Studienziel.
Daraufhin wird überlegt, wie viele Patient*innen in die Studie eingeschlossen werden müssen, damit hinterher eine zuverlässige Aussage getroffen werden kann, die einerseits statistisch belastbar ist, andererseits aber auch eine für die Patient*innen relevante Antwort auf die Fragestellung liefert.
Der nächste Schritt besteht darin Drittmittel zu beantragen, um die Studie durchführen zu können. Beispielsweise können die Kosten bei einer Arzneimittelstudie mit einer Laufzeit von vier Jahren und 100 eingeschlossenen Patient*innen schnell bei zwei bis vier Millionen Euro liegen.
Unterstützung bei Drittmittelanträgen und der Suche nach Partnern
Für die Beschaffung dieser Drittmittel ist die Stellung eines Drittmittelantrages notwendig, bei dessen Erstellung die Studienzentrale unterstützt. Mögliche Förderer sind beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Stiftung Deutsche Krebshilfe oder das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Knowhow der Studienzentrale spielt eine wichtige Rolle, wenn es um den Aufbau eines solchen Antrags und die Gestaltung des Finanzierungskonzepts geht. Die plausible Darstellung dessen ist demnach ebenfalls wichtig, damit sich der Förderer für ein Projekt entscheidet.
Oftmals müssen Partner mit spezieller Expertise in Projekte eingebunden werden, zum Beispiel bei der Herstellung von Prüfmedikation. Um hier schnell zuverlässige Projektpartner zu finden, hat die Studienzentrale über die Jahre eine Datenbank aufgebaut. Ziel der Studienzentrale ist es auch, das Knowhow am Standort zusammenzubringen, etwa wenn eine App in eine Studie integriert werden soll.
Das nötige Geld, zuverlässige Partner und ein Plan sind somit vorhanden, sodass die Studie in der nächsten Stufe bei den Ethikkommissionen und Bundesoberbehörden eingereicht werden kann. Es werden Verträge geschlossen und die Prüfmedikation wird bereitgestellt. Diese administrative Arbeit fällt in den Tätigkeitsbereich des Projektmanagements der Studienzentrale. Parallel hierzu kommt das Datenmanagement zum Einsatz und programmiert die Studiendatenbank zur Erfassung der Daten. Es wird eine Qualitätskontrolle der Studie durchgeführt, die auch als klinisches Monitoring bezeichnet wird. Bei Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten werden außerdem Sicherheitsmeldungen verarbeitet, sodass Meldeverpflichtungen gegenüber dem Gesetzgeber oder den Behörden eingehalten werden können. Indem die Studienzentrale diese überwiegend administrativen Aufgaben übernimmt, bleibt den Forschenden die Zeit, die Studienteilnehmenden in die Studie einzuschließen, sie zu behandeln und die Daten zu dokumentieren.
Weitere Schritte des Prozesses sind die statistische Auswertung am Ende der Studie. Der Studienbericht wird in Zusammenarbeit von Ärzt*innen und der Studienzentrale erstellt, bei der zum einen der medizinische, aber auch der administrative und inhaltliche Teil von Bedeutung ist. Dies ist ein wichtiger Schritt, die Studienergebnisse auch der Öffentlichkeit bekannt zu machen und trägt zur Transparenz in der Forschung bei. Flankiert wird dies zudem durch die Publikation der Ergebnisse in einem wissenschaftlichen, peer-reviewed Journal.
Je nach Ergebnis der Studie können anschließend neue Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten in die Behandlungsleitlinien aufgenommen werden. So war es auch bei Prof. Dr. Ulrich Herrlinger, der mit seiner CeTeG-Studie einen bedeutenden Fortschritt bei der Behandlung des Glioblastoms machte. Seine neue Therapiemöglichkeit wurde in die Behandlungsleitlinien aufgenommen und hilft den rund 2.400 Menschen, die jährlich in Deutschland an einem Glioblastom erkranken.
Was ist Ihnen bei der Weiterentwicklung von klinischen Studien wichtig?
Ein wichtiges Anliegen ist für mich die Beteiligung von Patient*innen an klinischen Studien, die ohne sie nicht funktionieren. Gemeinsam mit Prof. Matthias Weigl vom Institut für Patientensicherheit arbeiten wir an einem Konzept, wie Patient*innen mehr in solche Studien einbezogen werden können. Von Anfang an sollen sie an der Entscheidung, welche Inhalte in einer Studie erforscht werden sollen, beteiligt sein. Auf diesem Weg soll auch mehr Transparenz geschaffen werden. Da sind wir bereits auf einem guten Weg, das ist ein Ziel für dieses Jahr.
Was war ein Highlight im letzten Jahr für Sie?
Am 31. Januar 2022 ist die neue EU-Verordnung für Arzneimittelstudien (EU-VO 536/2014 CTR) in Kraft getreten, mit der auch das komplette Antragsverfahren für Arzneimittelstudien umgestellt wurde. Es gelten jetzt komplett neue Regularien und Modalitäten der Einreichung. Zur Umstellung gibt es eine Übergangsfrist, die am 31. Januar 2023 endet. Während dieser Übergangsfrist kann man noch nach beiden Regularien einreichen. Wir haben uns im letzten Jahr aber schon dafür entschieden, die Ärmel hochzukrempeln und das Wagnis einzugehen nach dem neuen Gesetz einzureichen. Mit der „MTXinGCA“-Studie (NCT05623592) von PD Dr. Valentin Schäfer, Sektionsleiter der Rheumatologie und klinischen Immunologie, haben wir erstmalig – als Erste neben einer weiteren deutschen Uniklinik – eine Studie in dem neuen EU-Portal eingereicht. Das war durchaus eine Herausforderung, aber es hat geklappt – wir haben die Genehmigung bekommen. Die ersten Patienten sind inzwischen eingeschlossen und das war eine tolle Teamleistung, bei der alle, insbesondere auch der Projektleiter, Dr. Valentin Schäfer, an einem Strang gezogen haben! Das gesamte Team ist sehr stolz darauf.
Was möchten Sie den Kolleginnen und Kollegen am UKB sagen?
Wir freuen uns, wenn ganz viele Forschende mit tollen Ideen kommen, Kontakt mit uns aufnehmen und wir sie beraten und unterstützen können. Ich bin immer wieder total begeistert, welche genialen Ideen in den Köpfen am UKB generiert werden, und ich freue mich auf die vielfältigen Beratungen. Jedes Jahr ist wieder etwas dabei, wo ich sage „Das hatten wir echt noch nie!“.
Weitere Informationen zur Umstellung auf das neue Antragsverfahren:
Fuhrmann, C., Reineke, C., Lang, B. et al. Erste Erfahrungen bei der Umsetzung der EU-Verordnung 536/2014 (CTR) aus Sicht der nichtkommerziellen akademischen Forschung. Bundesgesundheitsbl 66, 38–44 (2023). https://doi.org/10.1007/s00103-022-03632-w