Interview mit dem Evangelischen Klinikpfarrer Andreas Bieneck
Nach 30 Jahren Krankenhausseelsorge geht Pfarrer Andreas Bieneck Ende des Monats Juli in den Ruhestand. Kürzlich wurde der 66-Jährige in der UKB-Klinikkirche feierlich verabschiedet und vom Bonner Superintendent Dietmar Pistorius entpflichtet. Darüber wie wichtig ihm jeder einzelne Mensch und die Begegnungen mit ihnen in seiner langjährigen Dienstzeit auf dem Venusberg-Campus war, sprach Pfarrer Bieneck mit UKB mittendrin:
Schon im Theologie-Studium wollten Sie Klinikseelsorger werden. Was war Ihre Motivation?
Ich wollte es gerne mit einzelnen Menschen zu tun haben. Ich wollte sie begleiten und ihnen beistehen in schwierigen Situationen, in Krisen oder an Wendepunkten ihres Lebens. Es ist eine besonders schöne, erfüllende Aufgabe, dann für Menschen da zu sein. Ich denke auch, dass es die wichtigste Aufgabe der Kirche ist, den einzelnen Menschen zu sehen und ihm nachzugehen. Wahrscheinlich entscheidet sich an diesem Punkt, ob die Kirche eine Zukunft hat.
Was lag Ihnen bei Ihrer seelsorgerischen Tätigkeit besonders am Herzen?
Für mich war es immer wichtig, dass die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, nicht Klienten oder Patienten waren, sondern dass wir von Mensch zu Mensch miteinander sprechen, quasi im gleichen Boot sitzen. Grundsätzliche Fragen des Lebens und des Glaubens beschäftigen uns beide, gehen uns in gleicher Weise an. Ich bin nicht derjenige, der immer schon die Antwort weiß. Deshalb ist das „Da-Sein“ und das Zuhören erst einmal das Wichtigste. Und dann können wir gemeinsam auf die Suche gehen. Welche Wege und Möglichkeiten gibt es für mein Gegenüber? Was tut ihm oder ihr gut? Gibt es Kraftquellen im Glauben, durch andere Menschen, in der Musik oder in der Kunst? Welche realistischen Zukunftsperspektiven können wir gemeinsam entdecken und entwickeln?
Wo sehen Sie Ihre größte persönliche Herausforderung?
Das waren die Situationen, in denen ich mich völlig hilflos gefühlt habe. Die Situationen, in denen man nur noch gemeinsam schweigen kann, dann tastend nach Worten sucht. Wohl gemerkt nach Worten, nicht nach Antworten. Die gibt es manchmal nicht mehr. Dann zählt einfach nur noch, da zu sein, an der Seite eines Menschen zu sein, die Situation mit ihm oder ihr auszuhalten.
Welche Begegnungen haben Sie besonders berührt?
Das waren die Situationen, in denen ich Menschen innerlich erreichen konnte, es zu einem guten Austausch kam, manchmal auch zu einer längeren Begleitung. Das Vertrauen, das mir so viele Menschen entgegengebracht haben – Patientinnen und Patienten, Angehörige und Klinikmitarbeitende – hat mich oft berührt. Aber auch die Offenheit, mit der sie mich an ihrem Leben, an ihren Gedanken und Empfindungen teilhaben ließen. Wenn Menschen einen neuen Zugang zum Glauben fanden, wenn Menschen sich mit ihrem Leben, mit anderen Menschen, mit Gott aussöhnen konnten, dann war das besonders schön.
Wohin sollte sich die Klinikseelsorge entwickeln?
Die Klinikseelsorge ist eine wichtige Profession unter anderen in der Klinik. Um die Patientinnen und Patienten in ihrer Ganzheitlichkeit wahrzunehmen, müssen wir alle gut zusammenarbeiten und ihre jeweiligen körperlichen, seelischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse wahr- und ernstnehmen. Deshalb ist es wichtig, dass Klinikseelsorger in der Institution Klinik verankert sind und nicht von außen kommen oder ausschließlich in Notsituationen gerufen werden. Ich sehe die Zukunft der Klinikseelsorge in enger Zusammenarbeit mit den anderen Professionen: Insbesondere mit der Pflege, der Ärzteschaft und den psychosozialen Berufen. Da kann noch viel mehr geschehen. Die Palliativmedizin und das Ethikkomitee sind jetzt schon gute Vorbilder für diese Art der Zusammenarbeit. Deshalb lagen mir beide auch immer am Herzen.
Wo fanden Sie Ausgleich zu Ihrer Tätigkeit als Klinikseelsorger?
Mein wichtigster Anker ist meine Familie, die mich immer unterstützt hat. Dann die Natur und die Musik, Freunde und schöne Urlaube. Mein Glaube hat mir sehr dabei geholfen, bestimmte Menschen und Situationen auch wieder loslassen und Gott überlassen zu können. Deshalb war die Klinikkirche für mich immer ein wichtiger Ort zum Rückzug und um eine Kerze für den Menschen zu entzünden, der mir gerade am Herzen lag.
Ihre Pläne für den Ruhestand?
Da sind meine Enkelkinder, Zwillinge, die am 1. April zur Welt gekommen sind. Für sie, für meine Familie und Freunde möchte ich viel Zeit haben. Dann möchte ich wieder Klavier oder Gitarre spielen, beides habe ich früher ganz gut gekonnt. Und ich engagiere mich weiter ehrenamtlich im Vorstand der Stiftung Krankenhausseelsorge, die in allen Bonner Krankenhäusern mit Unterstützung und Angeboten aktiv ist. Alles andere wird sich ergeben – da bin ich gespannt!