Neue Leitlinie erschienen
Prof. Alexander Mustea, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, hat die jetzt erschienene neue Leitlinie zur Behandlung von Endometriumkarzinomen (Gebärmutterkörperkarzinomen) mitentwickelt, mittels derer durch dezidierte Therapieadjustierung für die einzelnen Subtypen in Zukunft viele aggressive und unnötige Behandlungen vermieden werden können.
Der Gebärmutterkörperkrebs, das Endometriumkarzinom, ist die häufigste genitale Krebserkrankung der Frau und nach dem Brustkrebs die zweithäufigste gynäkologische Krebserkrankung, an der in Deutschland jährlich etwa 11.000 Frauen pro Jahr erkranken. Insgesamt handelt es sich also um eine häufige Krebserkrankung, von der insbesondere Frauen in der Postmenopause betroffen sind. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 75 Lebensjahren.
Das Endometriumkarzinom entsteht aus den Zellen der Gebärmutterschleimhaut, dem Endometrium. Die Gebärmutterschleimhaut ist der physiologische Ort der Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter. Entarten die Zellen der Gebärmutterschleimhaut, spricht man von Gebärmutterkörperkrebs, dem Endometriumkarzinom. Dieses ist abzugrenzen von der Krebserkrankung des Gebärmutterhalses, dem Zervixkarzinom.
Das Endometriumkarzinom ist insbesondere mit einer langjährig bestehenden Östrogenexposition vergesellschaftet. Dies kann durch externe Zufuhr von Östrogenen, beispielsweise im Rahmen einer Hormonersatztherapie, als auch endogen durch ein erhöhtes Körpergewicht bedingt sein. Weitere Risikofaktoren sind Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Zudem gibt es genetische Risikokonstellationen und familiäre Häufungen von Gebärmutterkörperkrebs. Die häufigste erbliche Ursache ist das sogenannte „Lynch-Syndrom“. Hierunter werden genetische Veränderungen in DNA-Reparaturgenen zusammengefasst. Betroffene Frauen haben ein deutlich erhöhtes Risiko an einem Endometriumkarzinom zu erkranken. Das Lebenszeitrisiko liegt bei etwa 25–60 Prozent. Entsprechend wichtig ist es, eine genaue Familienanamnese zu erheben und betroffene Familien an spezialisierte Zentren mit individuellen Vorsorgeprogrammen, so wie hier am UKB, anzubinden.
Typische Leitsymptome für das Endometriumkarzinom sind irreguläre oder untypische Blutungen aus der Scheide in der Postmenopause. Auch blutiger Ausfluss kann ein Hinweis sein. Bei Vorliegen einer solchen Symptomatik muss gezielt nach der Ursache gesucht werden, um eine bösartige Erkrankung auszuschließen. Diese weiteren diagnostischen Schritte umfassen eine ausführliche Anamnese, inklusive Familienanamnese sowie eine klinische und gynäkologische Untersuchung mit transvaginaler Ultraschalluntersuchung. Je nach Befund ist eine ergänzende Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) und die Entnahme von Gewebeproben (Abrasio) notwendig.
Bisher existiert keine spezielle Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Gebärmutterkörperkrebs und seinen Vorstufen. Der übliche Abstrich im Rahmen der Krebsvorsorge ist zur Erkennung von Veränderungen der Gebärmutterhalsregion (Zervix) verlässlich, lässt jedoch keine Aussagen zur Gebärmutterschleimhautregion zu. Diese Zellen sind schwieriger zugänglich und die Zellen weisen eine andere Gewebearchitektur auf. Für Hochrisikokonstellation, wie beispielsweise bei nachgewiesenem Lynch-Syndrom, gibt es spezielle, intensivierte Vorsorgeprogramme, in die neben regelmäßiger transvaginaler Sonographie auch Gewebeentnahmen integriert sind.
Bisher wurde das Endometriumkarzinom in zwei Gruppen unterteilt: Auf der einen Seite gibt es östrogenabhängige Tumore, sogenannte Typ I Karzinome. Diese sind insbesondere mit den genannten Risikofaktoren wie Östrogenexposition, Übergewicht und Diabetes mellitus vergesellschaftet und treten typischerweise bei älteren Frauen auf. Auf der anderen Seite gibt es die östrogenunabhängigen Tumore, die Typ II Karzinome, welche eher bei jüngeren Frauen diagnostiziert werden und nicht mit den genannten Risikofaktoren in Verbindung gebracht werden. Auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse wird diese Einteilung in Typ I und Typ II Karzinom aktuell verlassen, da basierend auf sogenannten molekularen Markern eine deutlich genauere Charakterisierung verschiedener Subtypen möglich ist. Diese neue Unterteilung ermöglicht zudem eine Prognoseabschätzung, die unter anderem das Ausmaß der notwendigen operativen und medikamentösen Therapie bedingt.
Jedes Endometriumkarzinom sollte analog zu dieser Klassifikation charakterisiert werden. Das wird in der Europäischen und der neuen Deutschen Leitlinie für das Endometriumkarzinom dezidiert gefordert.
Die Diagnose Endometriumkarzinom wird in der Regel im Rahmen einer Gebärmutterspiegelung mit Entnahme von Gewebeproben gestellt. An dem gewonnen Material wird basierend auf molekulargenetischen Untersuchungen der spezifische Endometriumkarzinom Subtyp klassifiziert. Dies ist zur Planung der onkologischen Operation essentiell. Diese sollte durch ausgewiesene Gynäkoonkologen erfolgen. Wenn eine fortgeschrittene Krebserkrankung vorliegt und, was aber selten der Fall ist, bereits Fernmetastasen aufgetreten sind, wird in der Regel keine größere Operation geplant, sondern eine medikamentöse Krebstherapie durchgeführt. Dieses Vorgehen wird auch dann gewählt, wenn die betroffene Patientin zu schwach für eine Operation ist oder Kontraindikationen für eine Narkose vorliegen.
Die Operation beim Gebärmutterkörperkrebs hat grundsätzlich zum Ziel, die Diagnose zu sichern, das Stadium der Erkrankung zu bestimmen und möglichst alle sichtbaren Tumormanifestationen zu entfernen. In der Regel schließt das die Entfernung der Gebärmutter, der Eierstöcke und der Eileiter mit ein. Bei bestimmten Risikokonstellationen werden auch die Lymphknoten im umliegenden Gewebe, im Bereich der Beckengefäße (pelvine Lymphknoten) und im Bereich der Hauptschlagader (paraaortale Lymphknoten), entnommen. Die operative Therapie des Endometriumkarzinoms kann in den überwiegenden Fällen minimal-invasiv erfolgen. Dies ist mittels Laparoskopie oder auch roboterassistiert möglich. In beiden Fällen spricht man auch von einer Schlüsselloch-OP, da hierfür nur kleine Hautschnitte benötigt werden.
Das in der Operation entnommene Gewebe und die daraus resultierenden Gewebeanalysen – dazu zählen klassische Histologie und moderne Molekularpathologie – sind die Grundlage für die Abschätzung der Prognose und die Risikoabschätzung zur Festlegung der am besten geeigneten Anschlusstherapie (Strahlentherapie, Chemotherapie). Das Therapiekonzept, das individuell auf die betroffene Patientin zugeschnitten ist, wird in einer Tumorkonferenz ausführlich diskutiert und festgelegt.
Der Gebärmutterhalskrebs ist in den allermeisten Fällen durch eine Infektion mit sogenannten Humanen Papillomaviren bedingt. Der Entwicklung eines Zervixkarzinoms gehen Karzinomvorstufen, sog. zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN), voraus, die sich in der Regel gut im Rahmen der Früherkennung mittels Vorsorgeabstrich erkennen lassen. Seit wenigen Jahren ist zu dieser Präventionsmaßnahme eine Impfung gegen die wichtigsten HPV-Typen hinzugekommen, die von der STIKO für Mädchen und Jungen empfohlen wird. Anders als das Endometriumkarzinom wächst das Zervixkarzinom oft vom Gebärmutterhals in die umliegenden Gewebe wie die Beckenwand, die Blase und den Enddarm ein. Dieses Gewebe, auch Parametrium genannt, beherbergt feine Nerven und Lymphknoten, die im Rahmen der operativen Therapie mitentfernt werden müssen. Beim Gebärmutterkörperkrebs ist das nicht der Fall, sodass diese Gewebezüge nicht operiert werden müssen. Beim Zervixkarzinom ist der operativen Therapie eine kombinierte Therapie aus Bestrahlung und Chemotherapie gleichwertig. Diese Option der sogenannten primären Radiochemotherapie gibt es beim Endometriumkarzinom nicht.
Durch einen enormen Wissenszuwachs in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Molekularpathologie ist es heute möglich, eine genaue Subtypisierung des Endometriumkarzinoms vorzunehmen. Diese Subtypisierung ermöglicht eine zielgerichtete Behandlung des jeweiligen Krebstyps. So können Patientinnen mit erhöhtem Rückfallrisiko einer intensivierten Therapie (Strahlentherapie, Chemotherapie) zugeführt werden, während Patientinnen mit geringem Risiko eine weniger intensivierte Therapie benötigen und so Nebenwirkungen und negative Folgen der Therapie verhindert werden können. Die Bestimmung des Endometriumkarzinom-Subtyps ist für die Therapieplanung essentiell und muss allen betroffenen Patientinnen angeboten werden.
Neben einem verbesserten Verständnis der Tumorbiologie konnten in den letzten Jahren viele neue Therapien erfolgreich für das Endometriumkarzinom etabliert werden, was insbesondere die Prognose und Lebensqualität von Patientinnen mit fortgeschrittener, metastasierter Tumorerkrankung verbessert hat.
Grundsätzlich sollte eine Patientin mit Endometriumkarzinom an einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. In den letzten Jahren ist die notwendige Diagnostik und Therapie zur optimalen Betreuung von Endometriumkarzinom-Patientinnen sehr komplex geworden geht meist über die operative Gebärmutterentfernung hinaus. Die Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie hier am UKB deckt das gesamte Therapiespektrum und die notwendige Diagnostik des Endometriumkarzinoms ab. Wir sind als Gynäkologisches Krebszentrum durch die DKG zertifiziert. Die enge Verzahnung und Kooperation mit unseren Kollegen der Kliniken für Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Onkologie und Palliativmedizin sowie den Instituten für Pathologie und Humangenetik ermöglichen eine umfassende und spezialisierte Betreuung von Patientinnen mit Endometriumkarzinom an einem Standort. Die Festlegung der auf die individuelle Patientin zugeschnittenen Therapie erfolgt im interdisziplinären Konsens im Rahmen einer Tumorkonferenz. Die essentiell gewordene Bestimmung der molekularen Endometriumkarzinom-Subtypen sowohl prä- als auch postoperativ so, wie es in der aktuellen Leitlinie gefordert wird, ist an unserer Klinik bereits etablierter Standard. Bei Verdacht auf ein familiäres Tumorsyndrom (bspw. Lynch-Syndrom) wird die notwendige genetische Testung am Institut für Humangenetik durchgeführt. Betroffene Familien können in spezielle Vorsorgeprogramme hier am Standort aufgenommen werden. Im Bereich der operativen Therapie bieten wir neben der offen chirurgischen und laparoskopischen Technik auch die roboterassisterte Therapie an. Sollte eine medikamentöse Tumortherapie notwendig sein, erfolgt diese über unsere Onkologische Tagesklinik. In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien führen wir standardmäßig umfassende molekulargenetische Analysen zur Identifizierung zielgerichteter Therapien durch. Zudem verfügen wir über eine klinikeigene komplementärmedizinische Sprechstunde. Unsere Klinik ist als Studienzentrum an einer Vielzahl von operativen und systemtherapeutischen Studien beteiligt. So ermöglichen wir unseren Patientinnen Zugang zu neuen, innovativen Therapien. Unser gestecktes Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern, Patientinnen umfassend und auf höchstem Niveau an einem Standort zu betreuen.
Aus meiner Sicht ist der Einzug der molekularen Subtypisierung des Endometriumkarzioms mit dezidierter Therapieadjustierung für die einzelnen Subtypen das wichtigste Destillat der neuen Leitlinie. Durch eine Bestimmung dieser molekularen Subtypen, wie sie hier in der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie angeboten wird, können wir viele aggressive und unnötige Therapien vermeiden. Die konsequente Umsetzung der neuen Leitlinie wird die Therapie und Prognose von Patientinnen mit Endometriumkarzinom deutlich verbessern.
Patientenstory
Keine Angst vor der Therapie
Roswita Bittner war an Gebärmutterkörperkrebs erkrankt und hat sich erfolgreich von Prof. Alexander Mustea operieren lassen.
Hatten Sie Symptome und wenn ja welche?
Angefangen hat alles 2012. Ich hatte immer ein bisschen Blut im Urin und bin daraufhin zu meinem Frauenarzt gegangen, der mir aufgrund eines Myoms eine Operation empfohlen hatte. Ein Abstrich war zunächst negativ ausgefallen.
Wie sah die Diagnose aus?
Bei der Operation wurde dann der Gebärmutterkörperkrebs festgestellt, der bereits sehr weit fortgeschritten war.
Wie sind die Operationen und entsprechende Therapien verlaufen?
Ich habe die in diesem Fall übliche Chemotherapie bekommen sowie entsprechende Hormonmedikamente. Die folgenden acht Jahre war ich dann gesund, bis dann Schmerzen in der Nierengegend der linken Seite auftauchten, woraufhin ein ziemlich großes Rezidiv von der Gebärmutter aus festgestellt wurde. Das Rezidiv wurde von Prof. Mustea 2020 erfolgreich operiert. Nach vier Wochen hatte ich mich von der OP wieder erholt und mir wurde eine Chemotherapie angekündigt, die dann in vier Zyklen durchgeführt wurde.
Leider kam es nach dem letzten Zyklus durch die Chemo zu einem Nierenversagen. Ich lag vier Wochen auf der Intensivstation im UKB und kam später auf Normalstation. Ich war mir nicht sicher, ob ich überleben würde. Die Therapie wurde dementsprechend von Prof. Mustea angepasst und ich habe im Januar 2021 die sogenannte Immuntherapie bekommen, die noch nicht lange eingesetzt wird. Bis zum jetzigen Zeitpunkt erhalte ich nun diese Therapie und vertrage sie ganz gut. Sie ist nicht so anstrengend wie die anderen herkömmlichen Therapien. Ich bin zwar immer etwas müde, konnte und kann aber ein relativ normales Leben führen. Auch meine Niere hat sich wieder stabilisiert. Ich hatte infolge der Therapie lediglich einen Magnesium- und Vitamin-D-Mangel, meine Hände verkrampften sich plötzlich sehr. Dies konnte jedoch in kurzer Zeit behoben werden.
Warum haben Sie sich für das UKB als behandelnde Klinik entschieden?
Mir wurde das UKB für meinen doch sehr komplexen Fall beim ersten Befund empfohlen, weil hier eine maximale Versorgung möglich ist. Da ich im Zusammenhang mit dem ersten Karzinom auch zwei Schlaganfälle sowie eine Thrombose erlitten habe, brauchte ich zudem eine neurologische Abteilung.
Ich habe mich hier am UKB sehr wohl gefühlt. Ich habe alle möglichen Ärzte, das Pflegepersonal und Empfangskräfte kennengelernt und ich muss sagen, dass mir nicht eine einzige Person hier am UKB begegnet ist, die mir nicht gefallen hat. Ich bin rundum zufrieden hier und würde insbesondere Prof. Mustea weiterempfehlen. Ich bin keine Privatpatientin und trotzdem bekomme ich von ihm eine bestmögliche Behandlung. Er bestellt mich immer noch alle drei Monate zur Kontrolle ein.
Wie sieht Ihr weiterer Weg aus?
Ich habe jetzt noch ein halbes Jahr Immuntherapie vor mir, alle drei Wochen bin ich im CIO im UKB.
Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern noch mitteilen?
Wenn man die Diagnose bekommt, sollte man keine Angst vor der Therapie haben. Das Leben geht weiter und die Therapie hilft einem, sein Leben zu verlängern.
Kurzvita: Prof. Alexander Mustea
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h. c. Alexander Mustea übernahm zum 1. August 2019 die Leitung und den Lehrstuhl der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB).
Nach Beginn seiner ärztlichen Laufbahn an der Berliner Charité war Prof. Mustea elf Jahre stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsmedizin Greifswald.
Alexander Mustea ist Experte im Bereich der Gynäkologischen Malignome (Ovarialkarzinom, Uterine Sarkome) und der minimal-invasiven Chirurgie. Im Rahmen klinischer Studien entwickelte er neue operative Techniken und neue Therapiestandards. Die Weiterbildung junger Kolleginnen und Kollegen nimmt für Prof. Mustea einen hohen Stellenwert ein.
Als Gastprofessor und Dr. h. c. an der Nicolae-Testemițanu-Universität für Medizin und Pharmazie in Chisinau ist er weiterhin seiner Heimat, der Republik Moldau, verbunden.